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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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sondern es wird ihnen »offenbart«: von Leuten, die Bescheid wissen. Das kann ganz schön eklig sein, wenn Leute auspacken, nur um einem Konkurrenten zu schaden. Als Politikjournalist hat man es manchmal mit ziemlich intriganten Zeitgenossen zu tun. Aber selbst die genießen dann »Informantenschutz«, das heißt, man darf sie nicht verraten!
    Seit Urzeiten: Bad news are good news
    Vor allem wir Nachrichtenredakteure werden oft gefragt: »Warum sind die Nachrichten immer so negativ?« Wir bemühen uns aber redlich, in jeder Sendung auch Positives zu bringen. Ehrlich! Aber trotzdem ist an der Frage etwas dran. Zum einen sollen wir Journalisten ja kritisch sein und nicht eine Art Werbeagentur für Politiker, nach dem Motto: »Guten Abend, meine Damen und Herren, heute war die Kanzlerin wieder ganz toll!« Der Journalist Dagobert Lindlau hat dazu mal gesagt: »Der Ruf nach dem Positiven im Fernsehjournalismus ist ähnlich berechtigt wie die Forderung an einen Klempner, sich doch bitte nicht andauernd nur um die paar tropfenden Wasserhähne zu kümmern, sondern endlich auch um die Millionen, die einwandfrei funktionieren. Letzteres ist eben schlicht und einfach nicht sein Beruf.« Vielmehr ist es Aufgabe von Journalisten, die Machthaber und die Amtsträger zu kontrollieren – und das geht nur, wenn man Missstände anprangert. Außerdem ist das Negative oft spektakulärer und kommt auch deshalb leichter in die Nachrichten. Ein altes Beispiel dafür ist die Regel: »Hund beißt Mann« ist langweilig – »Mann beißt Hund« ist interessant. Unschön ist leider beides … So gilt eben: Flugzeugabstürze sind zwar schlimm, aber wäre es eine sendenswerte Nachricht, dass auch an diesem Tage wieder weltweit Tausende von Flugzeugen erfolgreich gestartet und gelandet sind? Oder könnte man eine Nachrichtensendung beginnen mit der Meldung »Alles normal in Berlin, keine besonderen Vorkommnisse«? Interessiert niemanden. Das war übrigens in der Menschheitsgeschichte schon immer so, seit Urzeiten. Man schickte Boten nicht unter Lebensgefahr los, damit sie verkünden, dass es nichts Neues gibt oder alles gut läuft. Sondern um zum Beispiel von einem Kriegsausbruch oder einer Naturkatastrophe zu berichten. Negative Nachrichten sind insofern auch häufiger, weil sie einen höheren Nutzwert haben: Dann wissen alle, Achtung, da ist was schiefgelaufen, da lauert Gefahr!
    Letztlich gibt es eine Reihe bewährter, gängiger Kriterien, nach denen Journalisten Nachrichten auswählen:
Ein Ereignis muss neu sein! Die News von gestern sind weniger interessant als die von heute. Zeitungen haben es da schwerer, die müssen ja erst mal gedruckt werden. Also lese ich in der Zeitung von heute, was gestern geschah. Das macht aber die Zeitung nicht uninteressanter. Eine gute Zeitung erzählt mir, warum etwas geschehen ist. So viele Einzelheiten kann man in einer Fernsehnachricht meistens nicht unterbringen. Außerdem veröffentlichen viele Zeitungen ihre Artikel längst auch online, also ganz aktuell.
Ein Ereignis ist ungewöhnlich! Siehe »Mann beißt Hund«. Dabei ist oft auch das Ausmaß des Ungewöhnlichen wichtig. Ein kleines Hochwasser am Rhein wird kein großer Aufreger sein. Aber wenn halb Ostdeutschland unter Wasser steht, dann ist das natürlich ein Topthema.
Ein Ereignis ist wichtig! Natürlich kann jeder anderer Meinung sein, was wichtig ist und was nicht. Aber sicher ist doch der Rücktritt eines Bundeskanzlers für Deutschland ein bisschen wichtiger als die Frage, wer bei »Deutschland sucht den Superstar« ausgeschieden ist. Die »Relevanz«, also Bedeutung eines Ereignisses misst sich an vielen Kriterien: Wie wichtig ist es für uns hier in Deutschland, wie wichtig ist es für die Welt insgesamt?
Das Ereignis ist wirklich so passiert! Damit ist gemeint, dass man wahrhaftig berichten muss. Das ist schwer, weil Journalisten auch oft belogen werden. Oder Dinge so kompliziert sind, dass es nicht nur eine klar erkennbare Wahrheit gibt, sondern mehrere Deutungsmöglichkeiten. Zum Beispiel, wer einen Krieg angefangen hat, oder wer die Schuld daran trägt, dass ein Politiker zurücktritt. Für Journalisten gilt daher die Zwei-Quellen-Regel: Mindestens zwei voneinander unabhängige und glaubwürdige Personen erzählen das Gleiche (zum Beispiel »Minister will zurücktreten«). Dann kann man einigermaßen sicher sein, dass nicht nur irgendjemand irgendwas behauptet.
Ein Ereignis geschieht in unserer Nähe! Über einen Flugzeugabsturz in

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