Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
verstößt gegen das Grundgesetz, gegen die »freiheitliche, demokratische Grundordnung«. Das kann zu einem Verbot dieser Partei führen. Worüber natürlich nicht die anderen Parteien zu entscheiden haben, sondern das Verfassungsgericht.
Wer akzeptiert, dass es unterschiedliche Parteien gibt, akzeptiert damit auch, dass unterschiedliche Meinungen und Interessen ihre Daseinsberechtigung haben und es nicht nur den einen allumfassenden einheitlichen »Volkswillen« gibt. Wenn es konkurrierende Parteien gibt, dann gibt es natürlich auch das viel beklagte »Parteiengezänk«. Und auch parteiinternen Streit vor allem bei den großen »Volksparteien«, die sehr viele unterschiedliche Mitglieder unter einen Hut bringen müssen. Das kann zu Verdruss führen, und schon erscheinen Schlagzeilen wie »Die SPD zerlegt sich mal wieder selbst«. Oder: »Krach in der Union.« Politiker rufen ihre Parteifreunde dann gerne öffentlich dazu auf, jetzt doch endlich »Geschlossenheit zu zeigen«. Eine gewisse Geschlossenheit braucht man natürlich als Partei, sonst weiß der Wähler nicht, woran er ist. Aber dass innerhalb der Parteien nicht alle sofort einer Meinung sind und für ihre Positionen kämpfen, gehört auch zur Demokratie.
Warum gründen sich neue Parteien?
Die meisten Parteien entstehen, weil es eine größere Zahl von Leuten gibt, die über dieselben Dinge wütend sind:
Die Liberalen entstanden in Europa schon im 18. Jahrhundert als Opposition des (vermögenden) Bürgertums gegen die Bevormundung und Benachteiligung durch König und Adlige.
Die SPD entstand als Partei der Arbeiter, die sich gegen die Ausbeutung durch die Unternehmer (Kapitalisten) wehrten. Die SPD ist die älteste deutsche Partei, die heute noch existiert. 2013 hat sie ihren 150. Geburtstag gefeiert.
Die CDU wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, aber die meisten ihrer Mitglieder gehörten vorher zu einer Partei namens Zentrum. Und die Zentrumspartei war im 19. Jahrhundert im Kaiserreich entstanden, als sich Katholiken zusammentaten, weil sie sich durch den autoritären, protestantischen preußischen Staat unterdrückt fühlten. Sie sahen sich als Verteidiger der Rechte der (katholischen) Kirche, und lehnten zugleich die eher nicht-religiösen Liberalen ab. Bei der Gründung der CDU nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs spielten katholische und evangelische Christen, die unter Hitler verfolgt und inhaftiert worden waren, eine große Rolle.
Auch der Konservatismus als Parteiströmung war ursprünglich Protest: gegen Leute, die das Traditionelle nicht achten und immer nur an das Neue, Moderne glauben. Konservative möchten Dinge bewahren und empfanden zum Beispiel die Fortschritts- und Technikgläubigkeit der Liberalen und der Kapitalisten als zerstörerisch.
Die bayerische CSU entstand als Regionalpartei. Also als Partei, die die Eigenständigkeit einer bestimmten Region betont und gegenüber »denen in Bonn beziehungsweise Berlin« skeptisch ist: »Die sollen uns nicht bevormunden, wir wissen selber, was hier gut für uns ist.« Die CSU war von Beginn an etwas »sozialdemokratischer« als die CDU , nicht umsonst heißt sie Christlich-Soziale Union. Auch deshalb hatte die SPD in Bayern bisher nie eine echte Chance: Die »kleinen Leut’« fühlten und fühlen sich von der CSU offenbar angesprochen.
Die Grünen entstanden aus einer Bürgerbewegung gegen Umweltverschmutzung und Atomwaffen. Viele Grüne sehen sich als »links«, aber ihre Gründer waren eigentlich keine Arbeiterkinder, sondern stammten oft aus bürgerlichen Haushalten. Die Eltern waren also CDU -Wähler, die Kinder gründeten die Grünen. Auch das gehörte zum Protest! Zugleich sind die Grünen aber eine konservative Partei: Sie wollen die Natur bewahren und sind dem technischen Fortschritt gegenüber skeptisch. Interessant ist, dass die Grünen zudem als Anti-Parteien-Partei anfingen. Sie wollten nicht wie die anderen Parteien sein, zum Beispiel keine Parteichefs haben, und niemand sollte lange im Parlament bleiben. Dahinter stand ein tiefes Misstrauen gegenüber Profi-Politikern, die sich gewissermaßen von Berufs wegen an die Macht klammern würden. Der Verzicht auf Hierarchien und das Rotationsprinzip (nach ein paar Jahren muss man seinen Parlamentssitz wieder abgeben) erwiesen sich aber als nicht sehr praktikabel und wurden bald wieder aufgegeben.
Die Partei Die Linke ist eine Art Mischform: Sie entstand aus der ostdeutschen Regionalpartei PDS (Partei des Demokratischen
Weitere Kostenlose Bücher