Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
oder die Wähler können sich nicht darauf verlassen, dass niemand ihren Stimmzettel kontrolliert. Erst wenn die Wahl geheim ist und die tatsächlich abgegebenen Stimmzettel öffentlich nachgezählt werden können, ist ein demokratischer Regierungswechsel überhaupt möglich.
Solche Kontrollen werden manchmal sogar in etablierten Demokratien nötig. Wenn ein Kandidat haushoch gewinnt, ist es unwichtig, ob sich in irgendeinem Wahllokal irgendwer verzählt hat. Kommt es aber bei einer Wahl zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen, wie im Jahr 2000 zwischen den beiden amerikanischen Präsidentschaftskandidaten George W. Bush und Al Gore in Florida, kann letztlich eine einzige Stimme die gesamte Wahl entscheiden. Weil damals an den Ergebnissen erhebliche Zweifel bestanden, wurde eine zweite Zählung angeordnet, die allerdings nicht rechtzeitig abgeschlossen werden konnte. Bis heute ist unklar, ob in Wahrheit nicht Al Gore die Wahl gewonnen hatte und George W. Bush ausgerechnet in dem US -Bundesstaat, in dem sein Bruder Jeb Gouverneur war, »versehentlich« zu viele Stimme angerechnet bekam. Es hatte Zweifel gegeben, ob die automatischen Wahlmaschinen korrekt zählten – Jahre später kehrte Florida übrigens zur Papierwahl zurück!
Natürlich macht die moderne Technik auch vor der Wahlkabine nicht halt. Elektronische Wahlgeräte haben Vorteile, zum Beispiel muss man die Stimmen nicht mehr auszählen, das macht die Wahlmaschine. Größter Nachteil: Man kann nicht ausschließen, dass das System »gehackt« wird, die Wahlcomputer also geschickt manipuliert sind und zum Beispiel jede zweite oder dritte Stimme für eine bestimmte Partei einer anderen Partei zurechnen. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass zum Beispiel heimlich gespeichert werden kann, wer wen wählt.
Ein neues Phänomen ist hier auch die Online-Wahl: Laptop aufklappen, Partei anklicken, fertig. Im Rahmen einer Wählerumfrage haben französische Soziologen dazu kürzlich übrigens eine sehr interessante Entdeckung gemacht: Online zu wählen, ist weniger »befriedigend«, als in ein Wahllokal zu gehen. Beim Gang zur Wahlkabine hat der einzelne Bürger eher das Gefühl, an einem wichtigen kollektiven Ereignis teilzunehmen und auch selbst eine wichtige Funktion auszüben. Wenn man nur zwischendurch und für sich allein zu Hause den PC anwirft, ist dieses Gefühl offenbar geringer. Die Hoffnung von Politikern, dass die Wahlbeteiligung steigt, wenn man es den Wählern möglichst bequem macht, könnte insofern trügerisch sein. Vielleicht müssen wir Wähler uns auch ein bisschen Mühe machen, um den Wahlakt zu schätzen.
Darf man Wahlversprechen brechen?
Rund 62 Millionen Wahlberechtigte für Bundestagswahlen gibt es im Moment in Deutschland. Die wollen umworben werden! Vor jeder Wahl pflastern freiwillige Helfer die Straßen mit Aufstellern und Plakaten voll hübscher Slogans. Doch nach der Wahl sind viele Versprechen oft nur noch Altpapier.
Pro Wähler erstattet der Staat den Städten und Gemeinden etwa einen Euro für den Versand der Wahlunterlagen, die Durchführung der Wahl, Schnittchen und Getränke für die über 600000 ehrenamtlichen (= ansonsten unbezahlten) Wahlhelfer. Im Moment kostet also die reine Durchführung einer Wahl schon mal 62 Millionen Euro.
Außerdem überweist die Bundesrepublik Deutschland noch einmal viele Millionen Euro an die Parteien selbst; früher nannte man das »Wahlkampfkostenerstattung«. Parteien, die bei der letzten Europa- oder Bundestagswahl auf mindestens 0,5 Prozent gekommen sind oder die bei der letzten Landtagswahl über 1 Prozent Wähler erreicht haben, bekommen zwischen 70 und 85 Cent pro Stimme, und auf die Spenden, die sie erhalten, gibt’s noch mal ein Drittel obendrauf. Diese Kosten sind allerdings nach oben beschränkt: Insgesamt dürfen an alle Parteien zusammen vom Staat nicht mehr als 133 Millionen Euro pro Jahr ausgezahlt werden. Hinzu kommen Mitgliedsbeiträge und private Spenden, die offengelegt werden müssen, wenn es größere Beträge (über 10000 Euro) sind. Alles in allem haben die im Bundestag vertretenen Parteien jährlich ungefähr 430 Millionen Euro zur Verfügung (Zahlen von 2011). Für den Bundestagswahlkampf 2013 gaben die Parteien zwischen vier Millionen Euro ( FDP ) und 23 Millionen ( SPD ) aus.
Nur: Was die Parteien für viel Geld auf ihrem Wahlwerbematerial versprechen, ist oftmals eben auch nicht mehr als ein vages Versprechen, garniert mit heißer Luft. Oder Allgemeinplätze à la: »Für
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