Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
auch. Zugleich findet sie ihren Billigjob aber keine schlechte Sache. Aus ihrer Perspektive ist es viel besser, nur eine Handvoll Dollar zu verdienen, als zu hungern oder für noch weniger Lohn auf einem Reisfeld zu arbeiten. Viele südostasiatische Länder, die früher extrem arm waren, haben dank der Globalisierung stark aufgeholt, viele Menschen dort können sich jetzt ein Leben leisten, wie es für sie noch vor zwanzig Jahren undenkbar gewesen wäre. Die aus unserer Sicht empörend niedrigen Löhne sind ihre Chance, von der Globalisierung zu profitieren.
Ähnlich ist es in Osteuropa: Als der finnische Handyhersteller Nokia sein Werk von Bochum nach Rumänien verlegte, war das für die Menschen in Bochum furchtbar und ungerecht, denn sie hatten immer gut gearbeitet und sich sogar auf niedrigere Löhne eingelassen. In Rumänien hingegen freute man sich: endlich Arbeitsplätze! Viele Rumänen sind ärmer als jeder Arbeitslose bei uns. Und sind natürlich glücklich, wenn Firmen aus dem Westen kommen. Des einen Leid ist des anderen Freud.
In den Produktionsländern kann sich durch solche ausländischen Werke der Bedarf an gut ausgebildeten Mitarbeitern erhöhen, sodass die Menschen dort die Chance bekommen, Karriere zu machen. Eröffnet Nokia beispielsweise in Rumänien ein neues Werk, entstehen dadurch nicht nur Jobs am Fließband, sondern auch im Management.
Gute und schlechte Heuschrecken
Nicht nur Produzenten arbeiten global, sondern auch Investoren. Kapital lässt sich ja noch viel leichter globalisieren als Waren und Dienstleistungen. Im schlechten Fall kaufen Investoren zum Beispiel eine mittelgroße deutsche Firma auf, zerschlagen sie in Einzelteile, kündigen dem Großteil der Belegschaft und verkaufen die »verschlankte« Firma mit Gewinn. Der frühere SPD -Vorsitzende Franz Müntefering nannte solche Investoren »Heuschrecken«, weil sie wie eine biblische Heuschreckenplage übers Land zögen und alles kahl fräßen. Altbundeskanzler Helmut Schmidt spricht, wegen der Gier der Investoren, von »Raubtier-Kapitalismus«. Aber auch dieses Phänomen hat mehrere Seiten. Zum einen werden solche Investments auch von deutschen Kapitalanlegern getätigt, es sind keineswegs immer ausländische oder »internationale« Heuschrecken. Und sie sind auch nicht immer räuberisch. Viele Firmen würde es ohne solch »externes« Kapital gar nicht mehr geben. Ein ausländischer Investor kann die letzte Rettung sein, auch wenn die Firma am Ende nicht mehr so aussieht wie vorher. Und auch Existenzgründer sind häufig auf »Private Equity« (privates Kapital) angewiesen, vor allem dann, wenn sie unternehmerische Ideen verfolgen, für die es keine staatliche Förderung gibt. Vater Staat hat nämlich sehr eigene Vorstellungen davon, welche Branchen förderungswürdig sind und welche nicht. Technologie und Internet sind da gerade sehr »in«. Wer hingegen in klassischen Bereichen, etwa im Einzelhandel, ein neues Unternehmen gründen will, hat es schwer, Kredite von staatlichen Förderbanken zu bekommen.
Manchmal wird ein Unternehmen durch private Investoren sogar viel größer, als es vorher war. So pumpte der russische Milliardär Roman Abramowitsch über 600 Millionen Euro in den britischen Fußballverein FC Chelsea – das ist natürlich klasse für Club und Fans. Für andere Vereine weniger. Abramowitsch hat in der Champions League gewissermaßen die Preise verdorben. Natürlich ist dieses finanzielle Engagement ein Extrembeispiel und beileibe kein typisches. Trotzdem: Wenn eine deutsche Firma dringend Geld braucht, um weitermachen zu können, dann konnte sie früher nur zur Sparkasse gehen und versuchen, einen Kredit zu kriegen. Heute hat sie viel mehr Möglichkeiten. Schlimm sind die Ausschlachter-Heuschrecken, die nur schnell Kasse machen wollen und Unternehmen kaufen, ohne tatsächlich Interesse an Geschäft und Belegschaft zu haben. Leider erkennt man das oft erst im Nachhinein. Übrigens: Auch als Privatbürger kann man im Ausland Kapital investieren, zum Beispiel Mikrokredite an afrikanische Unternehmerinnen vergeben. Oder Anteile an einer südamerikanischen Firma kaufen und hoffen, dass sie Gewinne macht, an denen man beteiligt wird. Globaler Kapitalverkehr ist eben nicht nur das, was »böse« Finanzgiganten betreiben …
Pioniere müsst ihr sein!
In einer globalisierten Welt kommt es jedenfalls noch mehr auf Preisunterschiede an. Bildung wird unter diesen Bedingungen in Hochlohnländern immer wichtiger. Noch vor
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