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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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fünfzig Jahren gab es Arbeit für die meisten – heutzutage kann ein Hauptschulabschluss zum schwer überwindbaren Hindernis in der Lebensplanung werden, und selbst ein mittelmäßiges Abi gilt bereits als Karrierekiller für Topjobs. Leute, die wenig wissen und wenig können, gibt’s anderswo billiger. Je besser die Ausbildung, desto größer die Chance, zu den Globalisierungsgewinnern zu gehören und nicht zu den Globalisierungsverlierern. Das gilt nicht nur für den Einzelnen, sondern für ganze Staaten. Wenn Jeans »made in Germany« keine Chance haben und sogar das Autobauen in Deutschland schwieriger wird, dann müssen wir neue Produkte entwickeln, die es anderswo noch nicht gibt, also smarter sein, kreativer sein – bevor wir dann wieder kopiert werden (zum Beispiel von den Chinesen). In der Volkswirtschaft spricht man hier von »Pionierunternehmen« und »schöpferischer Zerstörung«. Die Begriffe gehen auf den österreichischen Ökonomen Josef Schumpeter (1883–1950) zurück. Er beschreibt wirtschaftliche Entwicklung als einen Kreislauf, in dem einige vorangehen mit neuen Ideen und Produkten, bis diese schließlich nicht mehr neu sind, kopiert werden und es so viel Konkurrenz gibt, dass die Gewinnmöglichkeiten für den ursprünglichen Pionier zurückgehen und schließlich ganz zerstört werden. Dann muss er sich etwas Neues einfallen lassen. Auch die Industrialisierung war sozusagen eine Pionierleistung.
    Manche ehemalige Entwicklungsländer überspringen heute ein paar Entwicklungsstufen. Sie steigen von der reinen Landwirtschaft ins Computerzeitalter ein, ohne den Umweg über die Industrialisierung zu nehmen. In Afrika etwa sieht man längst überall Mobiltelefone. Den Zwischenschritt über den mühsamen Ausbau von Telefonleitungen für Festanschlüsse lassen die Afrikaner gewissermaßen aus. Oder Indien: In den achtziger Jahren war Indien eines der weltgrößten Hungergebiete. Außer Kleinbauern und einer sehr kleinen, reichen Elite gab es dort nicht viel. Heute kommen von dort exzellente Softwarespezialisten und Webdesigner. Die Bevölkerung Indiens ist zwar insgesamt immer noch extrem arm im Vergleich zu uns. Aber die Inder machen uns zugleich auch Konkurrenz, und die Mittelschicht ist dort stark gewachsen. Erfolgreich sind vor allem jene Inder, die eine gute Schulbildung durchlaufen haben.
    Ähnliches gilt für China. In den besten Schulen des Landes sprechen die Kinder mit 13 Jahren schon perfekt Englisch, sie pauken rund um die Uhr und werden auf Erfolg gedrillt. Mit solchen Kindern international zu konkurrieren, ist anstrengend. Insofern haben auch unsere Schulkinder so etwas wie Globalisierungsstress …
    Doch was den vielen toll ausgebildeten Chinesen noch fehlt, sind Kreativität und Selbstständigkeit. Weil sie nie aufmucken durften, haben sie weniger Mut, eigene Ideen zu entwickeln und Kritik zu üben, wenn sie sehen, dass etwas schiefläuft. Kritische Mitarbeiter tragen aber zum Erfolg von Unternehmen (und Staaten) erheblich bei. Auf der anderen Seite profitiert China wirtschaftlich davon, dass es sich keine lästige Demokratie leistet. Ein neuer Industriepark oder Flughafen wird einfach hochgezogen, ob dafür ganze Dörfer plattgemacht werden, interessiert nicht. Bei uns undenkbar!
    Tatsächlich sind große Bauprojekte in Deutschland nur noch schwer durchsetzbar, wie manche Politiker und Bauherren entnervt feststellen. Die lästigen Wutbürger haben aber auch kreative Ideen: Der Umweltschutz ist für Deutschland zu einem profitablen internationalen Geschäft geworden. Mit der Entwicklung von Solarzellen beispielsweise sind deutsche Unternehmer steinreich geworden. Inzwischen ist das aber wieder vorbei: In der chinesischen Mongolei werden billigere Solarzellen gebaut – Ende des Pionierzyklus.
    Auch die Umwelt ist globalisiert
    Überhaupt lassen sich am Thema Umwelt die Vor- und Nachteile der Globalisierung gut illustrieren. Durch die starke Konkurrenz über den Preis kann sich Umweltverschmutzung für ein Unternehmen und ganze Länder heute noch mehr »rechnen« als früher schon. Für den Warentransport wird zum Beispiel viel Treibstoff verbraucht. Und spätestens wenn Lebensmittel wie Fleisch oder Birnen um die halbe Welt transportiert werden, weil sie dann doch tatsächlich immer noch billiger sind als vom Bauern um die Ecke, ist das ökologisch verrückt. Auf der anderen Seite kann in der globalisierten Welt auch das Thema Umweltschutz schneller exportiert werden. Bei uns hat es

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