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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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der Petro-Dollars wenig zu bieten hat, sind ein deutliches Alarmzeichen. Auch deshalb versuchen Emirate wie Dubai oder Katar seit geraumer Zeit, zusätzliche Einkommensquellen zu erschließen, zum Beispiel den Tourismus. Dass dies wiederum zu Übertreibungen und Spekulationsgeschäften führte und Dubai von der jüngsten Finanzkrise hart getroffen wurde, bestätigt, wie verletzlich Volkswirtschaften sind, die nicht auf breitem Grund stehen, sondern auf einige wenige Wirtschaftszweige setzen.
    Solange die Erlöse aus einer Ressource wie Öl direkt an die Regierung fließen, bieten sich enorme Möglichkeiten der Bereicherung, was entsprechende Begehrlichkeiten weckt. Umgekehrt ist politische Macht dann gleichbedeutend mit großem Reichtum, an dem auch nur diejenigen teilhaben können, die zur Einflusssphäre der Regierenden gehören. Wer sich hingegen von der Politik fernhält oder gar zur Opposition gehört, hat geringe Chancen auf Wohlstand. Die Bereitschaft, Macht zu teilen, oder zu akzeptieren, dass man die Macht im Zuge demokratischer Prozesse auch wieder verliert, wird damit naturgemäß stark reduziert. Auch aus dem deutschen Kanzleramt wird man nicht gern vertrieben. Der Auszug geht aber hierzulande nicht mit einer ökonomischen Katastrophe für eine ganze Gesellschaftsschicht einher. Und Ex-Kanzler können bei uns sogar besser verdienen als amtierende Kanzler; eine ordentliche staatliche Pension gibt es obendrauf. Wenn das Kanzleramt hingegen so etwas wie Onkel Dagoberts Geld-Swimmingpool wäre, ein Paradies, aus dem man mitsamt Familie und einer tausendköpfigen Clique brutal vertrieben würde, wäre die Auszugsbereitschaft vermutlich deutlich geringer ausgeprägt. Regierungen, die unmittelbar über eine Quelle großen Reichtums verfügen, haben insofern nicht nur einen starken Anreiz, Einkünfte zu verschleiern, sondern sind auch extrem daran interessiert, an ihrer politischen Macht um jeden Preis festzuhalten, notfalls mit Gewalt.
    Insgesamt steigt in einer solchen Bodenschatz-Volkswirtschaft die Wahrscheinlichkeit, dass Geld verschwendet wird (man hat ja genug), dass andere Wirtschaftszweige vernachlässigt werden, dass die Korruption blüht und das Land autoritär regiert wird. Und es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommt. Schätze wecken Begehrlichkeiten, und sie können Kriege enorm befeuern, weil genug Mittel da sind, um Waffen zu finanzieren, – und weil es so viele »Spieler« außerhalb des Landes gibt, die eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen. Gäbe es im Kongo zum Beispiel nur Urwald und sonst nichts, die Geschichte dieses Landes wäre vermutlich weniger blutig verlaufen, und den Menschen dort würde es vielleicht nicht so elend ergehen, wie das bis heute der Fall ist. Stattdessen sind die bedauernswerten Kongolesen mit ihren reichen Bodenschätzen seit Jahrhunderten Spielball ausländischer Interessen und Schauplatz brutaler räuberischer Feldzüge.
    Solange politische Macht gleichbedeutend mit extremem Reichtum ist, bleibt auch die Rolle der Opposition als Regierungsalternative häufig fragwürdig. Sollte doch einmal die Opposition an die Regierung kommen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die neuen Machthaber erst mal ihren ökonomischen Nachholbedarf stillen und sich ihrerseits bereichern. Schließlich haben die anderen das auch jahrzehntelang getan – »und jetzt sind wir endlich an der Reihe«. Eine Opposition, die einen solchen Kreislauf durchbricht, müsste schon sehr edel gesinnt sein. Moralische Helden finden sich weltweit jedoch leider selten.
    3 Jared Diamond: Arm und Reich – die Schicksale menschlicher Gesellschaften; Frankfurt a. M. 2006, Fischer Taschenbuchverlag
    4 Linda Polman: Die Mitleidsindustrie Freiburg; 2012, Herder Verlag

Machtpolitik: Gleichgewicht des Schreckens und »Balance of Power«
    Es gibt unterschiedliche Blickwinkel, unter denen man die internationale Politik betrachten kann. Man kann sich auf die extrem ungleichen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse auf der Welt konzentrieren, so wie es auch die Globalisierungskritiker tun. Solche Ansätze gibt es schon lange, in den siebziger Jahren wurden sie von Wissenschaftlern als »dependency theories« bezeichnet. Bei diesen »Abhängigkeitstheorien« ging und geht es um die Frage, wie und warum der arme Süden vom reichen Norden abhängt. Der Begriff »Nord-Süd-Konflikt« ist mittlerweile etwas aus der Mode gekommen, weil es nicht mehr nur um Nord und

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