Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
Vom Netzwerk:
Beide Länder hielten sich gegenseitig in Schach. Keiner schaffte es, zur regionalen »Hegemonialmacht« aufzusteigen, also zu einem Staat, der so mächtig ist, dass er eine ganze Region dominiert.
    Es hat grauenhafte Kriege zwischen Iran und Irak gegeben – wobei es übrigens nie der Iran war, der zuerst angriff. Tatsächlich hat Iran in seiner jahrhundertelangen Geschichte noch nie selbst ein anderes Land überfallen, es war stets umgekehrt. Iran hat sich immer wieder gegen ausländische Angreifer verteidigen müssen. Das ist ein durchaus interessanter Aspekt, wenn man heute den Iran und seinen – im Juni 2013 abgewählten – Präsidenten Ahmadinedschad (»der Verrückte in Teheran«, wie ihn die Bild -Zeitung nannte) als einen aggressiven Staat betrachtet, der die Welt mit seinen Atomwaffenbestrebungen bedroht. Das kleine Israel hat tatsächlich gute Gründe, sich von Iran gehasst und bedroht zu fühlen. Trotzdem sollte man nicht ganz außer Acht lassen, dass der Iran selbst aus seiner Geschichte heraus ein hohes Sicherheitsbedürfnis hat.
    Mit dem Krieg der USA gegen den Irak ist nun allerdings eine neue Situation entstanden: Die USA haben den Feind ihres Feindes massiv geschwächt. Der Iran, der Amerika seit der Machtübernahme der Mullahs als »Todfeind« bezeichnet, war für Washington eigentlich ein größeres Problem als Saddam Husseins Irak. Aus kühler neorealistischer Perspektive war es insofern ein grober Fehler, Saddam Hussein zu stürzen. Der Irak ist seitdem instabil und geschwächt. Der Iran konnte dadurch seine Macht in der Region ausweiten und großen Einfluss auf die Politik im Irak nehmen. Hätte sich George Bush die Landkarte des Nahen Ostens unter einem streng »realistischen« Blickwinkel angesehen, hätte er diese Machtverschiebung nicht riskieren dürfen. Vermutlich dachten er und seine Berater allerdings genau umgekehrt: Wenn wir den Irak »erobern«, können wir mehr Druck auf Iran ausüben. Das ist allerdings ziemlich schief gelaufen.
    Kriege als Schauplatz ausländischer Interessen
    Ein weiteres Beispiel ist Syrien Die sogenannte »Arabellion« mit ihren Volksaufständen gegen die Diktatoren in zahlreichen arabischen Ländern, angefangen 2010 in Tunesien, dann weiter über Ägypten bis Syrien, war zunächst eine Entwicklung, die in diesen Ländern selbst losbrach und den Rest der Welt ziemlich überraschte. Seitdem sich die politische Landkarte im Nahen Osten damit radikal verändert hat, greifen aber auch ausländische Mächte in die Geschehnisse in diesen Ländern ein. Der Bürgerkrieg in Syrien zeigt das sehr prägnant. Dort stehen sich mittlerweile die unterschiedlichsten Interessen und Gruppen gegenüber: Die Aufständischen werden unterstützt von islamistisch-extremistischen Terrorgruppen, deren Kämpfer aus diversen arabischen Ländern kommen. Das Terror-Netzwerk al-Qaida ist längst ein multinationales »Unternehmen«, das an jedem Konflikt gerne teilnimmt, mit dem sich der Einfluss des extremen Islamismus vergrößern lässt.
    Auf der Seite der Aufständischen steht auch der Staat Saudi-Arabien. Reich und einflussreich dank seiner Ölquellen. Dass Osama Bin Laden und die Terroristen des elften September aus Saudi-Arabien stammten, dass dieses Land eine extremistische religiöse Strömung vertritt und weltweit fördert, hat die USA bislang übrigens nicht davon abgehalten, »gute Beziehungen« zu den Saudis zu pflegen. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, wie viel mehr Saudi-Arabien mit dem elften September zu tun hatte als Saddam Husseins Irak.
    Auf der Seite der Aufständischen steht auch »der Westen«, also die USA und Europa. Insgesamt also eine eigenartige Allianz, die eigentlich nicht zusammenpasst. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Christen in Syrien den Sturz des Assad-Regimes fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Trotzdem stehen die christlichen USA und das christliche Europa gegen Diktator Assad. Weil man eine Freiheitsbewegung unterstützen will, aber vor allem, weil Syrien unter Assad immer ein Verbündeter Irans und ein mächtiger Feind Israels war.
    Iran wiederum unterstützt das syrische Regime vor allem deshalb, weil Syrien die Hisbollah unterstützt. Denn die Hisbollah ist eine (Terror-)Gruppe, die derselben Religion angehört wie die Mullahs in Teheran, nämlich den Schiiten. Die muslimische Welt teilt sich ja im Wesentlichen in die Untergruppen der Schiiten und der Sunniten, die sich eher feindlich gesonnen sind (so wie es früher Katholiken und

Weitere Kostenlose Bücher