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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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schreckliche Folgen haben, mit vielen Toten und schweren Unruhen auf dem ganzen asiatischen Kontinent. Viele Chinesen fürchten tatsächlich nichts mehr als Zerfall und Chaos und stehen der Demokratie nach westlichem Muster schon deshalb eher skeptisch gegenüber. In jedem Fall ist China nicht mehr nur ein Riesenland mit unglaublich vielen Einwohnern, sondern auch wirtschaftlich und militärisch eine Großmacht geworden, mit der zu rechnen ist, in jeder Hinsicht. Das gilt auch für den Fall, dass dieser Riese ins Wanken gerät. Eine platzende chinesische Immobilienblase mit nachfolgender Bankenkrise würde uns genauso treffen wie die US-amerikanische Finanzkrise 2008.
    Das »semi-autoritäre« System in Russland
    Lange Zeit war die Sowjetunion ein ebenso diktatorisches Riesenreich wie China. Von 1922 bis 1991 bildete die »UdSSR« (Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken) den Mittelpunkt des »Ostblocks«. Die UdSSR erstreckte sich von Russland, den baltischen Staaten und anderen osteuropäische Gebieten über den Kaukasus (damit bezeichnet man Territorien Russlands, Georgiens, Armeniens und Aserbaidschans) bis nach Zentralasien. Die UdSSR war der größte Staat der Erde.
    »Sowjet« ist das russische Wort für »Rat« und war die Bezeichnung für basisdemokratische Verwaltungsorgane. Die 1936 von Stalin eingeführten »Sowjets« hatten aber in Wahrheit nichts zu sagen. Mit der Basisdemokratie war es im Kommunismus generell nicht weit her – aber der Begriff an sich klingt immer gut. Die UdSSR schloss mit den anderen Ländern des Ostblocks (Polen, DDR , Tschechoslowakei, Ungarn und Bulgarien) den »Warschauer Pakt« – als Gegenstück zur westlichen NATO . Zeitweise waren auch Rumänien und Albanien dabei; Jugoslawien wurde oft dazugerechnet, war offiziell jedoch nie Mitglied. 1991 brach die Sowjetunion zusammen. Das heutige Russland hat aber nach wie vor starken Einfluss auf viele der ehemaligen Sowjetrepubliken, die sich als »Gemeinschaft Unabhängiger Staaten« zusammengeschlossen haben. Russland allein ist dabei immer noch der flächengrößte Staat der Erde. Es verfügt über große Mengen Rohstoffe, insbesondere über Erdgas.
    Nach Jahren der demokratischen Öffnung ist Russland unter dem ehemaligen KGB -Mann Wladimir Putin wieder zu einem autokratischen Regierungssystem zurückgekehrt. Trotzdem ist Russland verglichen mit China deutlich demokratischer. Die Opposition hat es dort zwar schwer, sie ist aber nicht verboten. Kritische Zeitungsartikel sind durchaus möglich, wenn auch riskant. Wie viel Freiheit möglich ist, bestimmt der Kreml. Als eine Moskauer Zeitung vor Jahren über die Ehe Wladimir Putins spekulierte (übrigens zu Recht, wie man inzwischen weiß), wurde sie kurzerhand zugemacht. Trotzdem: Nicht jeder, der etwas Vorlautes sagt, landet gleich in einem Arbeitslager. Die Freiheitsgrade sind größer als in China. Der demokratische »Spaß« hört aber auch schnell auf. Als die regierungskritische Frauen-Punk-Band Pussy Riots in einer der wichtigsten Kirchen in Moskau 41 Sekunden lang mit einem »Punk-Gebet« den Altarraum stürmte, war es vorbei mit der Toleranz des Kremls. Drei Mitglieder von Pussy Riot wurden verhaftet, zwei landeten trotz weitreichender internationaler Proteste im Straflager – wie zu Stalins Zeiten.
    In einem sibirischen Straflager sitzt auch schon seit Jahren Michail Chodorkowsky. Ein ehemals steinreicher Unternehmer, der Putin politische Konkurrenz machte. Gegen ihn wurden Gerichtsverfahren geführt, die nicht nur von seinen Anwälten als »Scheinprozesse« bezeichnet werden.
    Und 2006 wurde die mutige russische Journalistin Anna Politkowskaja ermordet, die über Korruption in Regierungskreisen recherchierte und über Präsident Putin sowie den Krieg Russlands in Tschetschenien berichtete. Putin hat zwar immer wieder versichert, dass die Regierung damit nichts zu tun hatte und man ihre Mörder verfolgen werde – aber selbst wenn Anna Politkowsjkaja tatsächlich nicht direkt von Regierungsleuten, sondern von der russischen oder tschetschenischen Mafia ermordet wurde, so zeigt das trotzdem, wie gefährlich man in Russland als lautstarker kritischer Geist lebt und dass die Verflechtungen zwischen Regierung, Geheimdienst und kriminellen Gruppen eng sind.
    Bezeichnend war auch die Art und Weise, wie Putin mit seinem Parteifreund Dimitri Medwedjew die Ämter tauschte: Erst war Putin Präsident, als eine dritte Amtszeit verfassungsrechtlich nicht möglich war, übernahm

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