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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Verhältnis zwischen den USA und großen Teilen der restlichen Welt hat sich seit einigen Jahren deutlich gebessert. Die Regierung von Präsident George W. Bush hatte am Ende ihrer Amtszeit nicht nur sich selbst, sondern die ganze amerikanische Nation in Verruf gebracht. Das Land war moralisch und ökonomisch heruntergewirtschaftet. Die Kriege in Irak und Afghanistan haben mehr US -Bürger das Leben gekostet als die Terror-Anschläge vom elften September. Die finanziellen Belastungen dieser Kriege und die Steuervergünstigungen für Großunternehmen und Besserverdienende haben das Land in eine hohe Verschuldung getrieben. Die Skandale um Folterungen in Gefängnissen im Irak und im Anti-Terror-Gefangenenlager Guantanamo hatten das Ansehen der USA als Rechtsstaat mit moralischem Anspruch nachhaltig zerstört. Auch innerhalb Amerikas: Die nationale Solidarität nach dem elften September war einer tiefen Verunsicherung gewichen.
    Die psychologische Wucht dieser Anschläge darf man dabei nicht unterschätzen. Die USA hatten einen furchtbaren Bürgerkrieg im 19. Jahrhundert erlebt, sie hatten an (Welt-)Kriegen außerhalb ihres Staatsgebiets teilgenommen – aber auf eigenem Boden so massiv von außen angegriffen zu werden, das hatte es seit Pearl Habor nicht mehr gegeben.
    Mein früherer heute-journal -Kollege Wolf von Lojewski, der am 11. September 2001 unsere Sendung moderierte, sagte damals: »Jemand hat heute Amerika den Krieg erklärt. Wir wissen nur noch nicht, wer.« Besser konnte man es an diesem Tag nicht ausdrücken. Es war eine Kriegserklärung, und sie kam von einer bis dahin noch unbekannten »Macht«, die bestenfalls Geheimdiensten ein Begriff war. Am elften September selbst war noch nicht mal bekannt, dass al-Qaida dahintersteckte.
    Als in New York das World Trade Center zusammenbrach und zeitgleich ein Flugzeug auf das Pentagon (das US -Verteidigungsministerium) stürzte, war das für die amerikanische Nation eine völlig neue Erfahrung und ein tiefes Trauma. Auch in Europa wären diese Anschläge ein Einschnitt gewesen, ein extremes folgenreiches Erlebnis. Trotzdem gibt es einen psychologischen Unterschied: Europa ist durch die Jahrhunderte seiner Geschichte daran »gewöhnt« von außen angegriffen, überfallen und in Schutt und Asche gelegt zu werden. Für jede Generation ist das zwar immer wieder ein neuer Horror, aber es gibt so etwas wie ein kollektives historisches Gedächtnis. Das Gefühl, »unangreifbar« zu sein, gibt es auf dem europäischen Kontinent insofern nicht. Man hatte immer schon feindliche Nachbarn (insbesondere Deutschland, als die Nation, die die größten Kriege verursacht und zugleich darunter bitter gelitten hat). Für die Amerikaner kam diese Erfahrung im wahrsten Sinne des Wortes aus heiterem Himmel.
    Die Reaktion darauf war, in dem leidenschaftlichen Streben, die internationalen Machtverhältnisse und die Würde einer stolzen Nation wiederherzustellen und den islamistischen Terror im Keim zu ersticken, heftig und leider unklug. Anstatt Osama Bin Laden und sein Terrorgefolge nüchtern als mörderische Bande zu verfolgen und dabei die Weltgemeinschaft hinter sich zu scharen, suchte die US -Regierung nach nationalstaatlichen Antworten, notfalls im Alleingang. Beim Militäreinsatz in Afghanistan war ein großer Teil der Staatengemeinschaft den USA noch gefolgt, schließlich waren die dort herrschenden Taliban Gastgeber Osama Bin Ladens und selbst ein islamistisches Terrorregime. Beim Krieg gegen den Irak bröckelte diese internationale Solidarität.
    Am Ende war die Welt nicht sicherer, und aus der ursprünglich noch halbwegs überschaubaren al-Qaida-Gruppe ist längst ein Netzwerk geworden, das jenseits aller Staatsgrenzen agiert. Al-Qaida ist heute nur noch ein Überbegriff, dem sich jeder eigenständig agierende »Privatterrorist« anschließen kann. Und die USA erschienen vielen Deutschen und Franzosen nicht mehr als die große befreundete Nation, an der man sich orientiert, sondern unverständlich und feindselig. Dass von radikalen Bekloppten, die es leider immer gibt, auf amerikanischen Straßen französischer Rotwein ausgekippt wurde und »French Fries« (= französische Fritten, der amerikanische Begriff für Pommes Frites) allen Ernstes in »Freedom Fries« umbenannt wurden, sorgte für Kopfschütteln und Entfremdung. Auch innerhalb der USA hatte der Radikalismus der Bush-Regierung für Zerwürfnisse und Spaltung gesorgt. Die Nation war mit sich selbst in Unfrieden. Eine

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