Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
selbst einem Anschlag zum Opfer zu fallen, insgesamt doch ziemlich gering ist, beinahe null. In den USA beispielsweise kommen jährlich knapp 44000 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben. Dagegen ist die Gefahr, durch al-Qaida zu sterben, doch sehr überschaubar. Sollte es einen schweren Anschlag in Deutschland geben, würde diese statistische Erkenntnis uns aber auch nicht weiterhelfen.
Trotzdem: Die meiste Gewalt durch islamistische Terrorgruppen herrscht nicht bei uns, sondern in muslimischen Ländern. Aus dem Anti-Terror-Kampf in Staaten wie Afghanistan oder Irak zieht sich der Westen zunehmend zurück. Groß angelegte Kriege wollen die USA und die Europäer bis auf Weiteres nicht mehr führen. In den syrischen Krieg direkt einzugreifen und sich dort die Finger zu verbrennen, erscheint hoch riskant. Dass die syrische Opposition Unterstützung durch Dschihadisten bekommt, ist allerdings auch sehr beunruhigend. Al-Qaida ist eine Art multinationale »schnelle Eingreiftruppe« geworden, die sich in jedem Konflikt tummelt, der ihren Zielen dienen könnte. Gerne finanziert aus saudischen Quellen.
Saudi-Arabien liefert dem islamistischen Terror nicht nur seine Söhne wie Osama Bin Laden, sondern auch die nötigen Petrodollars, um von den Perversionen im eigenen Land abzulenken, Einfluss zu wahren und sich selbst vor Terror zu schützen (im Sinne von: Wir zahlen euch, aber dafür lasst ihr uns in Ruhe). Ein ähnlich besorgniserregender Staat ist Pakistan: seit seiner künstlichen Staatsgründung ein Hort für Konflikte und Gewalt. Und zu allem Überfluss auch noch ein Atomstaat. Die Vorstellung, dass terroristische Gruppen an solche Waffen gelangen könnten, lässt die »atomare Bedrohung« durch Staat en wie den Iran oder Nordkorea beinah schon harmlos erscheinen. Nordkoreas bizarre Diktatorendynastie hat sich bislang eher aufgeführt wie ein Hund, der bellt, aber nicht beißt. Die diversen Kims sind sozusagen die größten Kläffer der Weltpolitik. Der Iran wiederum ist für Israel zwar eine massive Bedrohung. Doch bislang gibt es noch berechtigte Hoffnung für die Annahme, dass die Mullahs in Teheran nicht völlig irrational handeln. Dass sie also nicht bereit sind, bei einem atomaren Krieg gegen Israel große Teile ihrer eigenen Bevölkerung und ihres Territoriums zu opfern. Staaten haben immer auch etwas zu verlieren. Das ist der große Unterschied zum Terrorismus: Staatenlose Krieger haben nichts zu verlieren. Das macht sie so gefährlich.
Wie funktioniert Diplomatie?
Ursprünglich waren Diplomaten nichts anderes als Geiseln. Wenn verfeindete Königreiche oder Stämme ein Abkommen trafen, wurde zur Sicherheit ein »Faustpfand« verlangt. Zum Beispiel ein Sohn oder naher Verwandter des gegnerischen Anführers, der dann höflich als »Gast« behandelt wurde – solange das Abkommen eingehalten wurde. Brach der andere die Vereinbarung, stand das Leben der Geisel auf dem Spiel. Deshalb musste es eine wertvolle Geisel sein und nicht nur irgendein Höfling. Vielleicht ist es deshalb in der Neuzeit noch so, dass die Diplomatie mit »höheren« Gesellschaftsschichten in Verbindung gebracht wird und sich unter Diplomaten auffällig viele »Vons« finden. Mit der Zeit stellten jedenfalls alle Beteiligten fest, dass es gar nicht so schlecht war, einen »Mann vor Ort« zu haben, einen Gesandten am gegnerischen Hofe. Dafür wurden Adelige an die Höfe der Könige in benachbarten Ländern entsandt. Sie gaben gerne rauschende Feste, so konnten sie für gute Stimmung sorgen und zugleich nützliche Kontakte knüpfen. Und wenn sie zufällig irgendetwas Interessantes in Erfahrung brachten – umso besser.
Im Prinzip hatten sich damit schon die wesentlichen Funktionen von Diplomaten herauskristallisiert: in formvollendeter Weise die Beziehungen zwischen Ländern zu fördern und Informationen zu sammeln. Bei diesen Informationen geht es zum einen um politische Ein schätzungen und Bewertungen: Wie ist die Stimmung in dem Land und seiner Regierung, wie wird unser eigenes Regierungshandeln gesehen, was ist von diesem oder jenem Politiker zu halten, welche Interessen hat die Gegenseite, welche Indiskretionen habe ich erfahren usw. Geheimdienstliches Schnüffeln gibt es natürlich auch, die diplomatischen Vertretungen werden gerne für Spionagetätigkeiten genutzt. Das geschieht dann aber eher im Gefolge der Botschafter. Die Jobbeschreibung des Botschafters selbst ist nicht die eines Geheimagenten.
Daneben erfüllen Botschaften
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