Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
gibt es ja unterschiedliche Strömungen, also hat die SPD einen »linken Flügel« und einen »rechten Flügel«, CDU und FDP ebenso. Wobei die »Linken« in der CDU natürlich meist »rechter« sind als die »Rechten« in der SPD . Bei den Grünen heißen die Linken »Fundis« und die Rechten »Realos«. Um die Sache weiter zu verkomplizieren, kann man statt »links« auch »rot« sagen, statt »rechts« auch »schwarz«. Auch diese »Farbenlehre« hat sich historisch entwickelt. Das Rot für die SPD stammt von den roten Fahnen der Arbeiterbewegung bei der Märzrevolution 1848. Das Schwarz für die Union ( CDU / CSU ) hängt vermutlich mit den christlichen Wurzeln der beiden Parteien zusammen und erinnert an die schwarze Kleidung der Pastoren. Die Linkspartei ist linker und röter und deshalb »dunkelrot«, die Grünen sind natürlich grün, die FDP ist blau-gelb (für die Farben hat sich die Partei erst in den 1970er Jahren entschieden – die waren gewissermaßen noch übrig und haben keine historische Bedeutung).
Mit diesen Farben lassen sich nun lustige Koalitionsspielereien treiben – entweder man fährt nach Jamaika oder bleibt an der Ampel stehen: Die Nationalfahne Jamaikas ist schwarz, gelb und grün. Diese drei Farben bedeuten politisch also eine Koalition von Union, FDP und Grünen. Eine solche Koalition regierte bisher nur einmal im Saarland. Mit der »Ampel« ist eine andere Dreier-Koalition gemeint: rot, gelb, grün (wie eine Verkehrsampel). Also SPD , FDP und Grüne. Auch diese Koalition gab es bisher nur auf Landesebene, und sie erweist sich, wie erwartet, als schwierig.
Das Rot-schwarz-kariert-links-rechts-geradeaus-Schema hilft heute also nur noch bedingt weiter. Am ehesten lassen sich die Parteien einordnen, wenn man sich ihren historischen »Markenkern« ansieht. Also die Themen, bei denen sie sich deutlich voneinander unterscheiden. Wollte man diese Themen in jeweils einem Wort zusammenfassen, dann steht die SPD für Soziales, die CDU für Sicherheit, die FDP für Freiheit und die Grünen für Umweltschutz. Aber so einfach ist es natürlich nicht.
Die Wandlung der Grünen zur Mini-Volkspartei
Die Grünen zum Beispiel. Ihnen ging es ursprünglich vor allem um Widerstand gegen die Atomkraft und um den Umweltschutz – und dazu muss man weder »links« noch »rechts« sein. Gegründet wurde die Partei allerdings von Leuten, die in ihrer Mehrheit eher »links« waren und sich auch selbst so bezeichneten. In den 1970er Jahren entstanden zahlreiche Umweltschutzinitiativen in Deutschland; die sich, zum Teil unterstützt von Gruppierungen aus der Friedens- und Frauenbewegung, bei Kommunal- und Landtagswahlen bewarben, aber stets an der 5-Prozent-Marke scheiterten. Ein Zusammenschluss aus diesem politischen Sammelbecken trat 1979 zur Europawahl an (und erhielt immerhin gleich 3,2 Prozent der Stimmen). 1980 wurde die Partei offiziell gegründet, sie bezeichnete sich als »sozial, ökologisch, basisdemokratisch, gewaltfrei«. Ein weiteres zentrales Anliegen war die Abrüstung, die ja in den achtziger Jahren, während des Kalten Krieges, ein weltbeherrschendes Thema war. Die Angst vor einem Atomkrieg teilten auch viele Deutsche. Zugleich kämpften die Grünen gegen die zivile Nutzung der Atomkraft. Nach dem GAU im sowjetischen Atomreaktor Tschernobyl mit einer Strahlenbelastung, deren Gefährlichkeit auch in Deutschland spürbar war, hatten immer mehr Menschen Angst. Die Proteste gegen Kernkraftwerke in der Bundesrepublik, die in Großdemonstrationen und massive gesellschaftliche Auseinandersetzungen mündeten, zogen weite Kreise. Und so schaffte es die neue Partei bis in den Bundestag: 1983 bekamen Die Grünen 5,6 Prozent. 1991 schlossen sich die Grünen mit dem Bündnis 90 zusammen, einer »BürgerInnenbewegung« in der ehemaligen DDR . Deshalb heißt die Partei heute korrekterweise »Bündnis 90/Die Grünen«. Aber meist sprechen alle nur von »den Grünen«.
Weil es in ihrer politischen Arbeit um die Sache und nicht um Personen gehen sollte, forderten die Grünen anfangs ein »Rotationsprinzip«: Jeder, der ein Amt bekam, sollte seine Position nach kurzer Zeit an andere abgeben, auch Abgeordnete oder Fraktionsvorsitzende. Dieses Konzept hat sich jedoch nicht bewährt: Erstens, weil für jedes Amt eine Einarbeitungsphase notwendig ist und erst nach dieser Zeit Ergebnisse zu erwarten sind. Dies gilt besonders für die komplexen Anforderungen in der Landes- und Bundespolitik. Zweitens, weil auch bei
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