Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
wählen die FDP , was der CDU aber meist nicht schadet, die Stimme bleibt dann ja in der (Koalitions-)Familie. Einige Wähler hat die Union allerdings an die Grünen verloren und die CSU in Bayern an die Freien Wähler. Sie stehen der CSU ziemlich nahe, sind aber genervt vom Machtanspruch der Partei in den Gemeinden. Der herrschende Filz und die Arroganz rächen sich irgendwann. Wenn eine Partei so lange regiert wie die CSU , muss das irgendwann zu Protest führen, und die bayerische Protestpartei sind die Freien Wähler. Eine eigene politische Philosophie haben sie allerdings nicht.
Bei der SPD gehört Dauerstreit zur Parteikultur
Die unterschiedlichen Traditionen der Volksparteien zeigen sich auch im Umgang der aktiven Parteimitglieder untereinander. In der SPD wird viel häufiger öffentlich gestritten als in den Unionsparteien. Eine solche Streitkultur gibt es sonst nur noch bei den Grünen. Das liegt zum einen daran, dass es für die Partei schwierig ist, ihre unterschiedlichen Flügel, die zum Teil konträre Ansichten vertreten, unter einen Hut zu kriegen. Dahinter steckt der alte Grundwiderspruch, dass sich Marktwirtschaft und Sozialismus schwer vereinbaren lassen. Auch wenn sich die SPD vom Sozialismus gelöst hat – die Hoffnung auf möglichst viel Gleichheit und das Misstrauen gegenüber »dem Kapital« gehört zu ihren Wurzeln. Aus der Geschichte der Partei und ihrem Einsatz für die unterdrückten Arbeiter ist auch zu erklären, dass es für SPD -Chefs besonders schwierig ist, als innerparteiliche Autorität aufzutreten und Regierungsentscheidungen hierarchisch in der Partei durchzusetzen. Weshalb die SPD auch so viele Parteichefs »verschlissen« hat wie keine andere Partei. Selbst ein Haudegen wie Gerhard Schröder war am Ende zermürbt. In der SPD ist es üblich, dass alle Parteimitglieder sich duzen, auch wenn sie sich nicht persönlich kennen. Aus den Zeiten der Arbeiterbewegung kommt auch noch die Bezeichnung »Genosse«, mit der sich SPD ler lange untereinander ansprachen. Heute ist das ein bisschen veraltet und nicht mehr allgemein üblich. Aber der Tonfall ist nach wie vor unverblümter als in den Unionsparteien, man streitet sich eben leichter, wenn man »per Du« ist. Tendenziell kann man sagen: CDU -Kanzler werden abgewählt; SPD -Kanzler scheitern eher an den eigenen Leuten.
In der Freiheit liegt die Kraft?
Die FDP will weniger als die anderen. Das ist wörtlich zu nehmen: weniger Staat, weniger Gesetze, weniger Kontrollen, weniger Steuern, weniger Regeln. Das geht auf ihre »liberalen« Wurzeln zurück – möglichst große Freiheit für den Einzelnen (von lateinisch liber – frei ). Damit geht eine eher skeptische Haltung gegenüber dem Staat einher, während SPD und Grüne eher »staatsgläubige« Parteien sind (ja, auch die ursprünglich staatskritischen Grünen!), die möglichst viel durch den Staat gestalten wollen. Der SPD geht es dabei vor allem um Umverteilung zugunsten der Schwächeren. Die Grünen wollen vor allem das Verhalten von Bürgern und Unternehmen steuern.
Da die FDP allein nie genug Stimmen hatte, um zu regieren, musste sie immer mit anderen zusammenarbeiten. Das verhalf der recht kleinen Partei zu einer überraschend großen Macht – denn umgekehrt hatten meist weder CDU noch SPD für sich genug Stimmen für eine Alleinregierung. Die Liberalen konnten sich daher viele Jahre lang aussuchen, mit wem sie ein Bündnis bilden wollten. Und wenn das nicht so lief wie erhofft, wechselten sie eben zur anderen Seite. So war die FDP in wechselnden Koalitionen häufiger in der Bundesregierung vertreten als alle anderen Parteien. Als »Zünglein an der Waage« hatte die FDP einerseits die Möglichkeit, Gesetze zu verhindern, die ihr nicht in den Kram passten. Andererseits musste sie (als kleinerer Koalitionspartner) auch manches mittragen, was nicht liberal erschien. Die FDP pendelt meist zwischen 5 und 10 Prozent der Wählerstimmen. Wie aber würde die FDP regieren, wenn sie könnte, wie sie wollte? Die Liberalen fordern die »Stärkung von Freiheit und Verantwortung des Einzelnen«. Sie sind der Meinung, ließe man die Wirtschaft weitgehend in Ruhe, würden durch den Erfolg der Firmen mehr Arbeitsplätze entstehen, wovon letztlich auch die Arbeitnehmer etwas hätten. Mit demselben Argument plädieren sie für niedrigere Steuersätze: Wenn nicht so viel an den Staat abgegeben wird, kommt die Konjunktur mehr in Schwung, und am Ende fließt genug in die Staatskasse, weil bei
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