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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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natürlich keine nette Formulierung war, die er auch nicht gerne hörte, den Umstand als solchen aber auch nicht bestreiten konnte.
    Doch je länger die Wiedervereinigung zurückliegt, desto dringlicher muss sich Die Linke andere Themen suchen. Die Proteste gegen Gerhard Schröders Agenda-Politik erwiesen sich als geeignetes Nährbecken für die West-Erweiterung der Partei.
    Bis 2005 war die Linkspartei eine reine ostdeutsche Partei, danach tat sie sich mit der westdeutschen Gruppierung Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit zusammen. Die WASG war ein Sammelbecken westdeutscher Kommunisten und unzufriedener ehemaliger Sozialdemokraten. 2007 fusionierten die beiden Parteien. Deswegen hatte Die Linke auch zwei Spitzenkandidaten: den ehemaligen DDR -Rechtsanwalt Gregor Gysi und den ehemaligen SPD -Vorsitzenden Oskar Lafontaine. Seit dem Zusammenschluss heißt die Partei offiziell Die Linke, wird aber immer noch häufig Linkspartei genannt.
    Die Linke will in Deutschland den Sozialismus verwirklichen, der allerdings »besser« umgesetzt werden soll als in der DDR . Dazu fordert sie Arbeitszeitverkürzung, staatlich festgesetzte höhere Löhne, höhere Steuern für Reiche und Unternehmen. Außerdem ist die Partei strikt gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Auch die Verstaatlichung von Unternehmen und die Enteignung von Unternehmerfamilien befürwortete zumindest Oskar Lafontaine. Man könnte Die Linke als Widerpart zur FDP sehen: Wo die Liberalen möglichst wenig regeln wollen, wünscht Die Linke möglichst viele gesetzliche Vorgaben.
    Die Linke verspricht, alle Kürzungen rückgängig zu machen, die zum Beispiel beim Arbeitslosengeld beschlossen wurden, und hat damit neue Wähler gewonnen. Speziell natürlich unter denjenigen, die wenig verdienen oder arbeitslos sind oder die von staatlicher Unterstützung leben und sich von der SPD nach den harten Sozialreformen unter Kanzler Gerhard Schröder (»Agenda 2010« mit der auch »Hartz IV « eingeführt wurde) schlecht vertreten fühlen. Nicht nur die SPD wirft der Linkspartei vor, dass sie nicht sagt, wie sie ihre Forderungen finanzieren würde, woher sie also das Geld nehmen möchte, das sie verteilen will. Anders als die SPD musste Die Linke das noch nie auf Bundesebene zeigen. »Opposition ist Mist«, hat der SPD -Politiker Franz Müntefering einmal gesagt. Opposition hat aber auch seine Vorteile. Manche Wähler kommen einem nämlich schnell abhanden, wenn man an der Regierung ist.

Karriereziel Politik
    Um in der Politik Karriere zu machen, braucht man vor allem viel Durchhaltevermögen, und man muss früh anfangen mit der Parteiarbeit. Es gibt Ausnahmen. Angela Merkel zum Beispiel, die ihre bundespolitische Karriere als Ostfrau nach der Wiedervereinigung startete, gefördert vom damaligen Kanzler Kohl. Sie war damals Mitte dreißig und stieg in der Umbruchzeit nach der Wende von der Seite ein. Für die meisten Spitzenpolitiker hingegen gilt: Die »Ochsentour« beginnt ganz unten in den Ortsvereinen (so heißen sie bei der SPD ) oder Ortsverbänden (so heißen sie bei den anderen Parteien). Wer dort positiv auffällt, eifrig dabei ist, viel für die Partei tut, geschickt Kontakte knüpft, gut reden kann usw., wird vielleicht als Delegierter zu einem Kreisparteitag geschickt – und so klettert man die Parteikarriereleiter langsam hinauf, bis man irgendwann einen eigenen Wahlkreis bekommt oder einen Listenplatz. Gute Listenplätze sind begehrt. Sie werden vor Wahlen auf Kreis- und Landesebene von Delegiertenkonferenzen der Parteien vergeben. Ein Bewerber kandidiert für einen bestimmten Listenplatz, zum Beispiel für Platz 3, was ein sehr guter Platz ist. Wenn alles glatt läuft, hat ihn die Parteiführung für diesen Platz aufgestellt; es gibt keinen Gegenkandidaten, und die Delegierten heben mehrheitlich ihr Stimmkärtchen und sagen Ja. Es können aber auch mehrere Kandidaten um einen Platz kämpfen, dann kommt es zur Kampfabstimmung. Im Vorfeld muss man mit vielen Leuten sprechen, versuchen, sie auf seine Seite zu ziehen und auf der Konferenz selbst eine gute Bewerbungsrede halten. Wenn man Pech hat, fliegt man ganz von der Liste oder landet auf einem hinteren Platz, mit entsprechend schlechten Chancen, ins Parlament einzuziehen. Bei den kleinen Parteien ist der Listenplatz noch wichtiger als bei den großen. Denn kleine Parteien gewinnen weniger Wahlkreise, man braucht also unbedingt einen guten Listenplatz. Da kann schon mal ein ganz schönes Gedrängel

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