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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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-Bundeskanzler ärgert, indem sie alle seine hübschen Gesetze im Bundesrat rundweg ablehnt. Es sieht dann zwar so aus, als seien die Bundesländer gegen die Bundesregierung. Aber eigentlich stimmt das nicht. In Wahrheit ist die CDU gegen die SPD (oder umgekehrt), nur ist der Austragungsort des Streits nicht der Bundestag, sondern das Bundesratsgebäude ein paar Kilometer weiter. Am Ende landen umstrittene Gesetzesvorhaben im Vermittlungsauschuss. Solche Blockaden zu überwinden, gelingt am ehesten, indem die Bundesregierung den Ministerpräsidenten Geld bietet. Vor allem klamme Ministerpräsidenten vergessen dann schnell, zu welcher Partei sie gehören … Im Jahr 2000 zum Beispiel wollte SPD -Kanzler Schröder eine Steuerreform durchsetzen. Der Bundesrat musste zustimmen, dort hatten allerdings die CDU -Länder die Mehrheit. Also dachte sich die damalige Oppositionsführerin Angela Merkel, dass es doch eine schöne Sache wäre, den Bundeskanzler auszubremsen und vorzuführen. So wie das früher oft die SPD gemacht hatte, als die CDU noch regierte. Sie hatte allerdings die Rechnung ohne ihren Parteikollegen Eberhard Diepgen gemacht. Der CDU -Mann war damals Regierender Bürgermeister von Berlin. Schröder versprach ihm, dass der Bund die Kosten übernimmt, das kaputte Berliner Olympiastadion zu renovieren, wenn er dafür im Bundesrat der Steuerreform zustimmt. Da Berlin schon damals zwar sexy, aber arm war und Diepgen das Geld brauchte, hat er Ja gesagt. So schaffte die SPD es, ihre Steuerreform durch den Bundesrat zu bekommen. Angela Merkel stand damals ziemlich düpiert da und hat sich entsprechend ihrer Parteifarbe schwarzgeärgert.
Die Bundesversammlung tritt einzig zur Wahl des Bundespräsidenten zusammen, normalerweise alle fünf Jahre. Die Bundesversammlung besteht aus dem kompletten Bundestag sowie noch einmal ebenso vielen Vertretern der Bundesländer. Ausnahmsweise dürfen die Vertreter der Bundesländer auch Nicht-Politiker sein, zum Beispiel prominente Schauspieler oder Musiker oder Sportler. Ihnen wird von den Politikern, die sie dorthinschicken, aber vorher genau gesagt, für wen sie stimmen sollen. Sie müssen sich nicht zwangsweise daran halten, doch erwartet wird das eigentlich schon. Die Wahl erfolgt zwar geheim, aber letztlich ist das Ganze nur Show, damit die Wahl des Bundespräsidenten nicht so langweilig daherkommt. Wer es am Ende wird, steht meist sowieso schon fest, weil man die Mehrheitsverhältnisse vorher kennt. Oft ist nach dem ersten Wahlgang alles erledigt – nur bei umstrittenen Kandidaten und knappen Mehrheitsverhältnissen können Abweichler dafür sorgen, dass in den ersten zwei Wahlgängen keine absolute Mehrheit erzielt wird. Das ist sowohl CDU als auch SPD schon mit ihren Favoriten passiert. In einem solchen Fall reicht dann, damit die Sache ein Ende findet, im dritten Wahlgang die einfache Mehrheit.

Reden und Arbeiten – der Parlamentsalltag
    In der Weimarer Republik wurde das Parlament (der Reichstag) als »Schwatzbude« beschimpft. Dabei gehört eben dieses »Geschwätz« zu den vornehmsten Aufgaben von Parlamentariern! Damals war man in deutschen Landen aber noch ans autoritäre Kaiserreich gewöhnt. Die plötzliche Vielstimmigkeit war anstrengend. Außerdem gab es in der Tat so viele Parteien und ständig scheiternde Regierungen, dass man als Bürger die Geduld und den Glauben an die Segnungen der Demokratie verlieren konnte. Trotzdem: Das Schwätzen, also die parlamentarische Debatte, ist eine Grundaufgabe aller Parlamente. Dennoch unterscheidet man zwischen »Redeparlamenten« und »Arbeitsparlamenten«. Der Deutsche Bundestag ist ein sogenanntes Arbeitsparlament. Das britische Parlament (»Unterhaus«) wird hingegen als Redeparlament bezeichnet. Was übrigens sehr unterhaltsam ist. Die Abgeordneten von Regierungspartei und Opposition sitzen sich in London auf relativ engem Raum direkt gegenüber und streiten, dass es nur so kracht. Lustvoll, humorvoll, bissig und von vielen »Hört-hört«-Rufen unterbrochen. Alle paar Minuten geht ein lautes Raunen durch den gesamten Saal. Debattiert wird aber bei uns im Bundestag ja auch, wenngleich das Plenum dabei oft ziemlich viele leere Sitzreihen aufweist. Andererseits müssen auch die Briten Gesetze verabschieden und können nicht nur reden. Wo liegt also der Unterschied?
    Im Redeparlament werden die Gesetzesvorhaben im Plenum debattiert, also in der Versammlung des gesamten Parlaments. Im Arbeitsparlament hingegen erfolgt die

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