Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
Einzelnen egal, wie sich ihre Kosten von 2,5 Milliarden Euro jährlich auf die Bevölkerung verteilten und wer am meisten davon hat.
Wer steht da in der Lobby?
Irgendwann ist es schließlich so weit: Ein neues Gesetz ist zur Welt gekommen. Es muss sich einfügen in die Hierarchie aus Verordnungen, Vorschriften, Gesetzen und Grundrechten. Denn unter Gesetzen gibt es natürlich auch noch eine Rangordnung. Die wichtigsten stehen im Grundgesetz, in der Verfassung also. Dort sind die Prinzipien des Staates festgeschrieben. Eine Verfassung ist nur sehr schwer zu ändern. Alle weiteren Gesetze müssen mit den Vorgaben im Grundgesetz in Einklang stehen. Darüber wacht das Bundesverfassungsgericht.
Auffällig ist die Vielzahl an Gesetzen in Deutschland, es gibt allein schon mehrere Tausende Bundesgesetze und Bundesrechtsverordnungen Dazu kommen noch Gesetze und Verordnungen der sechzehn Bundesländer. Nun könnte man argumentieren, es wäre doch viel besser, mal eine Schneise in diesen Dschungel zu schlagen. Alles viel einfacher machen. Aber viele Interessen führen eben auch zu viel Regelungsbedarf.
In der Politik versuchen Interessenvertreter aller Art, Einfluss auf die Abgeordneten zu nehmen. Früher standen sie dazu in der Lobby (der Vorhalle des Parlamentsgebäudes) herum und warteten auf Gesprächspartner – deswegen nennt man den Job heute noch »Lobby-Arbeit«. Im Grunde ist nichts dagegen einzuwenden, dass verschiedenste gesellschaftliche Gruppen mit Politikern reden und dabei auch ihre Fachkenntnisse zur Verfügung stellen. Und natürlich gibt es auch persönliche Beziehungen. Klar kennt der Abgeordnete der Grünen den Hersteller von Solarpaneelen in seinem Wahlkreis. Und man glaubt ja auch an die gleiche Sache, an die Segnungen der regenerativen Energie. Zugleich profitiert der Solarunternehmer natürlich enorm von den Subventionen, mit denen die Sonnenenergie gefördert wird. Was ist Lobbyismus, was ist zielgerichtetes politisches Verhalten des Abgeordneten aus eigener Überzeugung? Gar nicht immer so leicht zu trennen. Und Lobbyisten sind ja auch nicht nur die Pharmaindustrie oder Zigarettenhersteller. Lobbyisten sind auch Gruppen wie Greenpeace oder Amnesty International.
Was aber unbedingt vermieden werden soll, ist, dass Beziehungen gezielt zur Einflussnahme gepflegt werden. Deshalb müssen Abgeordnete beispielsweise Geschenke im Wert von über 150 Euro an Mitglieder der EU -Kommission melden. Darum kostet in einer Geschenkkiste Wein jede Flasche genau 149 Euro, macht zwölf nicht meldepflichtige Geschenke … So soll man das Gesetz selbstverständlich nicht auslegen, aber versucht wird das natürlich. Darum geht es übrigens auch im Strafprozess gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff: Er bekam ein Hotelzimmer bezahlt von einem befreundeten Filmproduzenten. Das kostete knapp 800 Euro. Die Staatsanwaltschaft will beweisen, dass sich Wulff aus Dankbarkeit später für ein Filmprojekt des Produzenten starkmachte. Wie dieser Prozess ausgeht, ist im Moment (Sommer 2013) noch offen. Man kann bezweifeln, dass die Zusammenhänge so simpel sind, dass ein Ministerpräsident wegen eines Hotelzimmers ein Filmprojekt fördert. Aber persönliche Freundschaften führen natürlich dazu, dass man sich über dies und jenes unterhält. Die Filmprojekte anderer Produzenten, die keine so guten persönlichen Kontakte pflegen, haben dann vielleicht schlechtere Chancen, politische Fürsprache – und damit gegebenenfalls auch finanzielle Förderung – zu finden. Strafbar ist das aber nicht. Bestechlichkeit setzt Leistung und Gegenleistung voraus. Insofern bewegt sich der Lobbyismus in Grauzonen. Gerne spricht man in diesem Zusammenhang von »politischer Landschaftspflege«. Anders formuliert: Beziehungen zu haben, ist nie verkehrt. Und kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Deshalb spenden Firmen Parteien gerne größere Summen für ihren Wahlkampf. Das dürfen sie auch im Rahmen der gesetzlichen Regelungen – aber wo verläuft die Grenze zur politischen Einflussnahme?
Der Dreisatz aus Nähe, Geld und Einfluss
Problematisch kann es zum Beispiel werden, wenn Abgeordnete zugleich im Aufsichtsrat eines Unternehmens sitzen. Das kommt oft vor und hat durchaus Vorteile, weil die Politiker dort direkt Einfluss auf die Wirtschaft nehmen können. Theoretisch. Praktisch ist es eher die Wirtschaft, die Einfluss auf die Politik nimmt. Etwa wenn besonders energieintensive Industrieunternehmen darauf drängen, sich an den Kosten
Weitere Kostenlose Bücher