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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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der Energiewende weniger beteiligen zu müssen als andere. Da kann es natürlich von Vorteil sein, wenn man einen Politiker im Aufsichtsrat hat, dem man direkt vorrechnen kann, wie viele Arbeitsplätze gefährdet sind.
    Politiker bekommen aber nicht nur für eine Tätigkeit im Aufsichtsrat Geld von der Industrie. VW beispielsweise soll Abgeordneten beziehungsweise Stadträten Geld gezahlt haben, ohne dass die dafür etwas Konkretes geleistet haben. Wofür haben sie also neben ihrer staatlichen Abgeordnetendiät noch Geld vom VW -Konzern bekommen? Selbst wenn es nie offen ausgesprochen wurde: Natürlich kann man vermuten, der Konzern erwartete dafür, dass diese Politiker im Sinne von VW handeln und nicht (nur) auf die Stimme ihres Gewissens hören. Allerdings ist VW auch ein Konzern, bei dem der Staat (nämlich das Land Niedersachsen) Mitaktionär ist. Die Verbindung zwischen Unternehmen und Politik ist hier also eh besonders eng. Was übrigens seit einiger Zeit im Visier der EU ist, weil Juristen das VW-Gesetz im Widerspruch zu Europarecht sehen. Derzeit wird eine diesbezügliche Klage der EU -Kommission gegen Deutschland verhandelt.
    Direkte Zahlungen der Wirtschaft an Politiker werden oft unter dem Begriff »Beraterhonorar« verbucht. Beratung kann ja vieles sein, das muss man so genau nicht definieren. Ob es Schmiergeld ist oder tatsächlich eine Leistung erbracht wurde, die bezahlt wird, lässt sich letztlich schwer entscheiden. Manchmal könnte es auch Dankbarkeit sein für die Gunst, die einem ein Politiker in der Vergangenheit erwiesen hat. Viele Journalisten fanden es jedenfalls verdächtig, dass der Abgeordnete Helmut Kohl, nachdem er nicht mehr Kanzler war, 600000 D-Mark (knapp 300000 Euro) »Beraterhonorar« von dem Medienunternehmer Leo Kirch bekam. Leo Kirch gehörte der TV -Sender Sat1, und Helmut Kohl hat sich immer sehr fürs Privatfernsehen eingesetzt. Manche hatten deshalb den Verdacht, dass diese 600000 Mark eine Art Dankeschön waren. Helmut Kohl hat das aber als »Verleumdung« zurückgewiesen. Dennoch: Zu viel Nähe zwischen Politik und Wirtschaft weckt Misstrauen. Daher lohnt es sich grundsätzlich immer, bei Beraterhonoraren und Ähnlichem näher hinzuschauen.
    Über ein ähnliches Problem stolperte der frisch gekürte SPD -Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, als herauskam, dass er mit Reden und Vorträgen in wenigen Jahren über eine Million Euro verdient hatte. Hinzu kamen Posten im Aufsichtsrat von großen Unternehmen. Mit einigen dieser Firmen hatte er auch schon zuvor als Finanzminister zu tun – und würde es als Kanzler gegebenenfalls wieder haben. Das ist legal, aber ein wenig unschicklich für einen Sozialdemokraten, denn nun stand er natürlich in dem Verdacht, Großunternehmen näher zu stehen als den »kleinen Leuten«, die ihn wählen sollen. Dummerweise waren es in einem Fall auch noch die Stadtwerke Bochum, die ihm bei einer Veranstaltung 25000 Euro Rednerhonorar gezahlt hatten. Selbst wenn da nicht direkt Steuergelder flossen: Von Stadtwerken einer klammen Kommune in einer strukturschwachen Region erwartet man solche Großzügigkeit, noch dazu gegenüber einem sozialdemokratischen Politiker mit Ambitionen fürs Kanzleramt, nicht. Steinbrück hätte sich da wohl besser ferngehalten. Andererseits hat auch ein Politiker das Recht, Bücher zu schreiben, damit Geld zu verdienen und sich von Unternehmen dann auch bezahlen zu lassen, wenn er deren Veranstaltungen schmückt und dort aus seinem Buch liest. Steinbrück war zu der Zeit ja kein Regierungsmitglied, sondern nur einfacher Abgeordneter der Opposition. Und andere Abgeordnete haben andere Nebeneinkünfte, etwa wenn sie weiterhin als Rechtsanwälte tätig sind. Verboten ist das alles nicht. Aber Politiker sollen zumindest offenlegen, was sie tun und womit sie nebenher Geld verdienen. Das wäre bei vielen Journalisten übrigens auch eine gute Idee. Journalisten werden zwar nicht gewählt und stehen nicht im Staatsdienst. Aber sie erwecken gerne den Eindruck, über den Dingen zu stehen und »objektiv« zu berichten. Den meisten Zeitungslesern ist wahrscheinlich nicht bewusst, dass der positive Reisebericht über die schöne Malediveninsel von einem Reiseveranstalter gesponsert wurde. Und wer als Wirtschaftsjournalist regelmäßig über die Geschäftslage des Großkonzerns X berichtet, sollte sich nicht von ausgerechnet diesem Konzern dafür bezahlen lassen, dass er die Veranstaltung zum Firmenjubiläum moderiert. Das macht keinen

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