Kaperfahrt
er intensiv zu studieren vorgab, in Wahrheit jedoch nie verstanden hatte, keinen einzigen Schuss abgefeuert hatte.
Trotzdem fuhr sie fort. »Aber dann kam es doch dazu, dass Thomas Jefferson entschied, dass die Vereinigten Staaten ihre Tributzahlungen einstellten. Zum ersten Mal in ihrer langen Geschichte sahen sich die Piraten einer erstklassigen Marine gegenüber, die eher bereit war zu kämpfen, anstatt ihnen Geld zu geben. Al-Jama musste erkannt haben, dass ihre freie Regentschaft vorbei war. Jeffersons einseitige Kriegserklärung gegen die Piraterie war für sie der Anfang vom Ende. Eine Nation hatte sich gegen ihre Form der Barbarei aufgelehnt, obwohl sich die restliche Welt immer noch duckte.«
Noch während sie das aussprach, erzeugten die Parallelen mit dem derzeitigen Kampf gegen den Terrorismus auf ihrem Rücken eine Gänsehaut. Europa hatte während des späten zwanzigsten Jahrhunderts unter der ständigen Bedrohung des Terrorismus gelebt. Überall auf dem Kontinent hatten Bombenattentate auf Nachtclubs, Kidnappings, Morde und Flugzeugentführungen stattgefunden, ohne dass die Regierungen wirksam darauf reagiert hatten.
Die Vereinigten Staaten hatten nach dem ersten Angriff auf das World Trade Center eine ähnliche Taktik verfolgt. Die Regierung hatte das Attentat als ein kriminelles Vergehen eingestuft und nicht als das, was es wirklich war: die Eröffnungssalve eines Krieges. Die Täter wurden verhaftet und ins Gefängnis gesteckt – und die Angelegenheit wurde bis zum Terroranschlag am 11. September 2001 zu den Akten gelegt.
Anstatt die Wahrheit ein zweites Mal zu ignorieren, hatte die Regierung auf das Attentat von 2001 damit reagiert, dass sie den Kampf gegen alle aufnahm, die den Terrorismus in seinen vielfältigen Formen unterstützten. Genauso wie zweihundert Jahre zuvor hatte Amerika der Welt verkündet, dass es eher zu kämpfen bereit war, als in Angst zu leben.
Wieder ergriff Bumford das Wort. »Selbst wenn ich die Möglichkeit einräume, dass Al-Jama seine Meinung geändert und Wege gefunden haben könnte, um die Unterschiede zwischen dem Islam und dem Christentum unter einen Hut zu bringen, stehen wir doch noch immer vor dem eher praktischen Problem, sein Schiff, die Saqr, zu finden. Es ist ganz einfach unmöglich, dass ein Schiff zwei Jahrhunderte lang in der Wüste versteckt bleibt. Es wäre in dieser Zeit entweder von Witterungseinflüssen zerstört oder von Nomaden geplündert worden. Glauben Sie mir, von diesem Schiff ist nichts mehr übrig.«
»Nur um alle Möglichkeiten offenzuhalten«, schaltete sich Linc ein, als er erkannte, dass sich Bumfords Pessimismus auf Linda zu übertragen drohte, »wenn es doch irgendwie die Zeit überdauert haben sollte, haben Sie irgendeine Idee, wo es sich dann befinden könnte?«
»Aus dem Brief, den ich in Washington gelesen habe, ziehe ich den Schluss, dass es irgendwo in dem ausgetrockneten Flussbett südlich von uns liegen müsste. Aber Alana, Mike und Greg haben diese Region gründlich durchgekämmt. Sie gaben erst auf, als sie zu einem Wasserfall kamen, der, als der Fluss noch existiert haben muss, nicht hätte überwunden werden können. Da draußen gibt es definitiv kein Berberpiratenschiff.«
»Gab es in dem Brief vielleicht noch irgendeinen anderen Hinweis? Etwas, das auf den ersten Blick völlig unbedeutend erscheint.«
»Henry Lafayette meinte, es sei in einer großen Höhle versteckt, in die man nur mit Hilfe eines – und ich zitiere jetzt – schlauen Apparats gelangen könne. Bitte fragen Sie mich nicht, was das heißt. Alana ist mir deswegen schon wochenlang auf die Nerven gegangen. Den einzigen anderen Hinweis, den ich noch habe, ist eine örtliche Legende, dass das Schiff unter dem Schwarzen, das brennt, verborgen liegt.«
»Dem was?«, fragte Linda.
»Dem Schwarzen, das brennt. Die Geschichte steht im Tagebuch von Al-Jamas Erstem Offizier, Suleiman Karamanli. Das Tagebuch blieb erhalten, weil Karamanli der Neffe des Paschas von Tripolis war und es daher in die Königlichen Archive aufgenommen wurde. Was dieses Schwarze sein soll, ist mir jedoch ein völliges Rätsel. Tut mir leid.«
»Mir auch«, murmelte Linda.
Wenn eine ausgebildete Archäologin wie Alana Shepard Al-Jamas Schiff nicht hatte finden können, nachdem sie wochenlang mit den modernsten technischen Hilfsmitteln danach gesucht hatte, bestand wenig Hoffnung, dass sie, Mark und Linc in den restlichen Tagen vor der Friedenskonferenz darauf stoßen
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