Kaperfahrt
Männer bis auf ihre Boxershorts ausgezogen. Beide Körper troffen vor Schweiß, wobei Hali am schlimmsten unter der Hitze litt. Seine Brust und Schultern waren mit einem haarigen Pelz bedeckt, ein Erbe seiner libanesischen Abstammung.
Eddie hatte an einem der Kopfbretter seines Einzelbetts gelehnt, als das Rufzeichen seines Telefons erklungen war. Er stand auf und zog sich an. Er schüttelte die Kakerlaken aus den Stofffalten, ehe er in seine Hose schlüpfte. Aromatische Küchendüfte aus dem Restaurant unter ihnen drangen durch eine Ritze in dem abgenutzten Holzfußboden.
»Wollen wir das wirklich tun?«, fragte Hali, auf dessen Stirn frische Schweißperlen erschienen.
»Juan meint, Assad sei der Schlüssel. Also ja, dann tun wir es.«
»Der Schlüssel? Assad ist der Schlüssel? Der Kerl ist doch nicht mehr als ein kleiner korrupter Beamter.«
Seng blickte zu dem Kommunikationsexperten der Corporation hinüber. »Ein Grund mehr, sich zu fragen, weshalb sie sein Haus und sein Büro im Hafen überwachen. Max sagte gestern, ihre Regierung glaube, er stünde mit Al-Jamas Leuten in Verbindung, obwohl das irgendwie keinen Sinn ergibt. Assads Lebensstil ist für einen Terroristen viel zu auffällig. Echte Untergrundkämpfer unterhalten kein halbes Dutzend Liebschaften und machen die Polizei auf sich aufmerksam, indem sie Bestechungsgelder annehmen.«
Hali ließ sich das kurz durch den Kopf gehen. »Okay, das lasse ich gelten. Wenn er demnach nicht zu Al-Jama gehört, weshalb wollen ihn die Libyer dann so dringend haben?«
»Aus dem gleichen Grund wie Juan. Er weiß etwas über diese ganze Affäre, nur weiß niemand so genau, was.«
Kasim kam ebenfalls auf die Füße und verstaute eine kompakte Glock 19 in einem Knöchelhalfter, ehe er seine Hose anzog. »Deshalb bleibe ich lieber auf dem Schiff. Dort habe ich einen einfachen Job. Ein Funkspruch kommt an, und ich beantworte ihn. Jemand will mit einem Typen auf der anderen Seite des Planeten reden, und ich sorge für die Verbindung. Bei landgestützten Operationen werden abhörsichere Telefone benötigt, die wie Zigarettenschachteln aussehen. Und ich kann sie beschaffen. Am helllichten Tag irgendwo herumzulungern und zu versuchen, einen Mann zu entführen, der von der libyschen Geheimpolizei gesucht wird, ist nicht mein Ding.«
Indem er den Akzent eines älteren Chinesen anschlug, sagte Eddie: »Erweitere deine Speisekarte, Grashüpfer, und die Welt ernährt deine Seele.«
Seng war nicht gerade für seinen Humor bekannt. Zwar war es nicht so, dass er einen guten Witz nicht zu würdigen wusste, aber es kam eher selten vor, dass er selbst einen erzählte, daher fiel Halis Gelächter übertrieben laut und lang aus. Diesen Witz zu erzählen war Eddies Art, Hali zu versichern, dass er wusste, was er tat.
»Mach dir keine Sorgen. Dem letzten Bericht zufolge hält sich Assad im Haus seiner Freundin Nummer drei auf. Die Libyer haben sich dort noch nicht blicken lassen. Mittlerweile sollte er begriffen haben, dass er gesucht wird, daher muss ihm jeder, der ihm eine Möglichkeit zum Überleben anbietet, wie ein Gottesgeschenk vorkommen. Wir brauchen nur dorthin zu spazieren, ihm klarzumachen, dass seine Chancen gleich null sind, und ihn hierherzubringen. Das reinste Kinderspiel.«
Assads dritte Geliebte, die rubenshafte Ehefrau eines Richters, wohnte mit ihrem Ehemann in einem Viertel vier- und fünfstöckiger Häuser mit reichhaltiger Stuckverzierung, die mehr als hundert Jahre alt waren. Die Fenster und Balkone waren mit gusseisernen Gittern gesichert, und die flachen Dächer bildeten ein einziges Meer von Satellitenschüsseln und defekten Antennen. Im Parterre der meisten Häuser befanden sich Läden und Boutiquen, deren Angebot auf die Bedürfnisse der wohlhabenden Bewohner abgestimmt war.
Die Bürgersteige waren breit und großzügig angelegt, während die Straßen selbst eher schmal und gewunden erschienen, ein Überbleibsel aus der Zeit, als in diesem Viertel mehr Pferdewagen als Automobile unterwegs waren. Die kurvenreichen Straßen verliehen dem Viertel einen Hauch von Exklusivität und machten es zu einer stillen kleinen Enklave in einer sonst mit hektischer Aktivität erfüllten Stadt.
Die chinesischen Bandenmitglieder, die sie angeheuert hatten, um Tariq Assad zu beschatten, hatten ganz offen Posten bezogen und tarnten sich mit einem Lieferwagen mit vorgetäuschtem Motorschaden. Sie parkten genau gegenüber dem Haus der Geliebten, hatten die Motorhaube
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