Kaperfahrt
afrikanische Matrose machte sie an einer Relingstange fest.
»Okay, dann bringen Sie sie rüber«, sagte Kwan.
Hakeem half einem seiner Männer, auf die Bootsreling zu steigen. Der Spalt zwischen den beiden Schiffen war weniger als einen Fuß breit, und in diesen ruhigen Gewässern bestand kaum die Gefahr, dass er ausrutschte. Die beiden kletterten auf das Deck des Frachters und traten gleich zur Seite, um zwei weiteren Männern Platz zu machen.
Erst als der vierte Mann mit einem kleinen Sprung auf sein Schiff überwechselte, wurde Kapitän Kwan misstrauisch.
Während er den Mund öffnete, um sich nach ihrem Gesundheitszustand zu erkundigen, ließen die vier Kranken ihre Decken fallen. Darunter kamen AK-47er, besser bekannt unter der Bezeichnung Kalaschnikows, zum Vorschein, deren hölzerne Kolben wenig fachmännisch abgesägt worden waren. Aziz und Malik, die beiden anderen Matrosen des Fischerbootes, angelten sich gleiche Waffen aus einer Holzkiste und stürmten damit an Bord.
»Piraten!«, brüllte Kwan und bekam die Mündung einer Waffe in den Bauch gerammt.
Er sackte auf die Knie und presste sich die Hände auf den Leib. Hakeem holte eine automatische Pistole hinter seinem Rücken hervor, während die anderen bewaffneten Männer die Matrosen des Frachters von der Reling wegtrieben, so dass sie von der Brücke aus, die sich hoch über ihnen befand, nicht zu sehen waren.
Der somalische Anführer zog den Kapitän auf die Füße und drückte den Pistolenlauf in Kwans Nacken. »Tun Sie, was Ihnen befohlen wird, und niemand wird zu Schaden kommen.«
Für einen kurzen Moment blitzte ein trotziger Ausdruck in Kwans Augen auf, den er nicht unterdrücken konnte, aber er verblasste sofort wieder. Der Pirat hatte nichts bemerkt. Kwan nickte hilflos.
»Sie führen uns jetzt zum Funkraum«, fuhr Hakeem fort. »Sie werden sich sofort an Ihre Mannschaft wenden und den Männern befehlen, sich in der Kantine zu versammeln. Jeder muss dorthin kommen. Wenn wir nachher auch nur einen einzigen Mann im Schiff finden sollten, wird er sofort getötet.«
Während er noch sprach, fesselten seine Männer die völlig überrumpelte Mannschaft mit Plastikbändern. Bei dem muskelbepackten Afrikaner benutzten sie für alle Fälle gleich drei von den Plastikfesseln.
Während sich Aziz und Malik um die anderen Mannschaftsangehörigen kümmerten, führte Kwan Hakeem und die vier kranken Piraten in den Decksaufbau, während ihm der Lauf einer Pistole gegen die Wirbelsäule gedrückt wurde. Im Innern des Schiffes war es dank einer nur unzureichend funktionierenden Klimaanlage lediglich ein paar Grad kühler als draußen. Die Korridore und Laufgänge sahen so aus, als wären sie seit dem Stapellauf des Frachters kein einziges Mal gereinigt worden. Der Bodenbelag aus Linoleum war rissig und schadhaft, und dicke Staubflocken hatten sich in den Ecken angesammelt.
Sie brauchten weniger als eine Minute, um zur Kommandobrücke hinaufzusteigen, wo ein Steuermann hinter einem großen hölzernen Rad stand und sich ein weiterer Offizier über einen Kartentisch beugte, der mit Tellern kalter Essensreste und einer Seekarte bedeckt war, die so alt und verblichen schien, dass die Küstenlinie von Pangäa, dem letzten Superkontinent der Erdgeschichte, auf ihr hätte zu erkennen sein müssen. Die Fenster waren mit Salzkristallen verklebt und nahezu völlig undurchsichtig.
»Wie ist es mit den Fischern gelaufen?«, fragte der Offizier, ohne aufzublicken. Seine Stimme hatte einen seltsamen britischen Akzent, der irgendwie nicht echt klang. Als er den Kopf hob, wurde er blass. Seine großen, unschuldigen Augen weiteten sich. Die vier Piraten hielten mit ihren Sturmgewehren den gesamten Raum in Schach, und der Kopf des Kapitäns neigte sich unter dem Druck des Pistolenlaufs gegen seinen Hals zur Seite.
»Nicht den Helden spielen«, warnte Kwan. »Sie haben uns versprochen, niemandem ein Leid zuzufügen, wenn wir ihre Befehle befolgen. Öffnen Sie bitte den Kommunikationskanal für das Schiff, Mr. Maryweather.«
»Aye, Käpt’n.« Mit langsamen, abgezirkelten Bewegungen streckte der junge Offizier, Duane Maryweather, die Hand nach dem Knopf der Sprechanlage aus, der sich neben dem Funkgerät befand. Er reichte seinem Kapitän das Mikrofon.
Hakeem drückte die Pistole noch tiefer in Kwans Hals. »Wenn Sie auch nur versuchen, eine Warnung durchzugeben, töte ich Sie auf der Stelle, und meine Männer schlachten Ihre Besatzung ab.«
»Ich gebe Ihnen mein
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