Kaperfahrt
Frauen oder vielleicht auch klein gewachsenen Männern. Aber ich glaube, eine der Frauen könnte diese amerikanische Archäologin sein, die dort mit unserem Gast zusammen gearbeitet hat.« Er deutete durch den Frachtraum auf Bumford.
Das Aufheulen der Turbine sorgte dafür, dass Assad laut rufen musste, damit ihn der Mann zu seiner Linken verstehen konnte. »Die Fußspuren verschwanden in einer Höhle auf der Rückseite eines Hügels am Fluss. Sie müssen sich immer noch darin befinden. Wir haben sie, Ali, die Amerikaner, die zum letzten Mal unsere Pläne durchkreuzt haben. Und wir haben Suleimans Grab.«
Juan ließ sich von Maurice, dem Chefsteward der Oregon, eine Tasse Kaffee bringen.
»Wie fühlen Sie sich, Captain?«, fragte der mürrische Engländer.
»Ich glaube hart geritten und im Regen stehen gelassen ist der richtige Ausdruck dafür«, antwortete Juan und trank einen Schluck vom dem starken Gebräu.
»Das ist eine Anspielung auf den Pferdesport, glaube ich. Schreckliche Biester, nur gut für die Leimfabrik oder um in Ascot darauf zu wetten.«
Cabrillo lachte verhalten. »Dr. Huxley hat mein Bein betäubt, daher spüre ich es kaum, und die Handvoll Ibuprofen-Tabletten, die ich runtergespült habe, fangen gerade an zu wirken. Alles in allem geht es mir nicht allzu schlecht.«
Juans Geheimnis, das er niemand anderem offenbart hatte – mit Ausnahme von Julia Huxley, der Ärztin der Oregon –, war, dass er ständig Schmerzen verspürte. Ärzte nannten diese Erscheinung zwar Phantomschmerz, für ihn war er aber absolut real. Sein fehlendes Bein, das ihm vor vielen Jahren von einem chinesischen Kanonenboot aus weggeschossen worden war, schmerzte in jeder Minute eines jeden Tages. Und an guten Tagen war der Schmerz zwar vorhanden, machte sich aber nur unterschwellig bemerkbar. Manchmal loderte er auf und brandete wie eine heiße Woge durch seinen Körper, so dass er die gesamte Willenskraft aufbringen musste, nicht darauf zu reagieren.
Was das Unbehagen betraf, das von der Wunde herrührte, wo er sich den Ortungschip aus dem Bein gezogen hatte, so war es nicht Tapferkeit, die ihm half, es zu ignorieren. Es war reine Übung.
Im Operationszentrum herrschte ringsum hektische Betriebsamkeit. Max Hanley und zwei Techniker hatten unter einer Computerkonsole die Verkleidung entfernt, um einen defekten Monitor auszutauschen. Der Waffenexperte stand per Funk mit verschiedenen Wartungstrupps in Verbindung, die im Schiff unterwegs waren, um sich zu vergewissern, dass die Waffen ordnungsgemäß funktionierten, während der Steuermann einem genau berechneten Kurs außerhalb der libyschen Zwölf-Meilen-Zone folgte.
Das Schiff und die Mannschaft waren einsatzbereit, nur hatte Cabrillo vorläufig noch nichts, was er sie hätte tun lassen können.
Nach wie vor verfügten sie über keine aktualisierte Liste libyscher Hilfsschiffe mit Landemöglichkeit für Helikopter – und bis sie eine solche Liste bekamen, konnte die Oregon nur abwarten.
Aber Juan hasste es abzuwarten. Vor allem wenn Angehörige seiner Truppe in einer landgestützten Mission unterwegs waren. Er war in Gedanken so nahe bei ihnen, dass alles, was sie durchmachten, auch von ihm einen physischen Tribut forderte.
»Ich erhalte gerade einen Ruf«, meldete die Funkerin über die Schulter.
Juan betätigte einen Schalter in der Armlehne seines Sessels, und aus verborgenen Lautsprechern drang heftiges Atmen, fast ein Keuchen.
»Sie haben sich den falschen Zeitpunkt für einen obszönen Anruf ausgesucht«, sagte er zu der unbekannten Person.
»Chef, hier ist Linc«, stieß Franklin hervor. »Wir sind in Schwierigkeiten.«
»Was ist geschehen?«
»Deine Theorie, dass Ali Ghami in Wirklichkeit Al-Jama ist, kannst du wohl vergessen«, hechelte Lincoln. Offensichtlich rannte er. »Unser alter Freund Tariq Assad ist soeben aufgetaucht und nach einer arabischen Küsschen-Küsschen-Begrüßung mit dem Anführer des Trupps, der nach dem Grab gesucht hat, mit ihrem alten Mi-8 nach Süden abgehauen. Er ist Al-Jama, Juan. Ich habe versucht, Linda zu erreichen, aber die ist mit ihren Leuten immer noch unter Tage. Ich flitze im Augenblick hinter ihnen her, aber ich denke, ich habe noch sechs oder sieben Meilen vor mir.«
»Das ist die Bestätigung.« Erregt stand Juan auf und begann auf und ab zu gehen. »Vor zwei Stunden bekamen wir erste Zweifel, weil Hali Kasim sich nicht gemeldet und sein GPS-Chip sich längere Zeit nicht gerührt hatte. Ich habe Eddie
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