Kaperfahrt
ein markantes, wettergegerbtes Gesicht sowie leuchtend blaue Augen. Er trug zwar einen Bürstenhaarschnitt, ließ jedoch die Haare immer ein wenig länger. Seine Jugend an den Stränden Südkaliforniens und seine lebenslange Liebe zum Schwimmsport hatten es fast weißblond gebleicht. Obwohl er die vierzig schon überschritten hatte, war es noch immer voll und kräftig.
Cabrillo umgab eine unwiderstehliche Aura, die von seinen Mitmenschen sofort wahrgenommen wurde, ohne jedoch von ihnen auch eindeutig definiert werden zu können. Er verfügte nicht über die geschliffenen Manieren eines erfolgreichen Firmenchefs oder die martialische Ausstrahlung eines Karrieresoldaten. Eher war es so, dass man bei ihm auf Anhieb spürte, dass er genau wusste, was er vom Leben erwartete, und dafür sorgte, dass er es jeden Tag auch bekam. Außerdem war er von einem unerschütterlichen und grenzenlosen Selbstvertrauen erfüllt: Dies hatte er sich durch ein Leben erworben, das von diversen Heldentaten geprägt war.
Max Hanley hingegen war Anfang sechzig und Vietnam-Veteran mit immerhin zwei erfolgreichen Einsätzen. Er war ein wenig kleiner als Cabrillo, hatte ein helles, ständig leicht gerötetes Gesicht, einen Kranz rötlich-brauner Locken, die seinen kahlen Schädel hufeisenförmig umkränzten. Ein paar Pfund weniger hätten ihm sicherlich ganz gutgetan – Juan bereitete es immer wieder aufs Neue Vergnügen, ihn damit zu hänseln. Aber Max war trotzdem in jeder Hinsicht so hart wie ein Fels.
Die Corporation galt zwar als Cabrillos geistiges Kind, aber es war Max’ stets sicher lenkende Hand, die sie erst zu einem Erfolg machte. Er managte die Routineangelegenheiten der millionenschweren Firma und fungierte außerdem als Chefingenieur der Oregon. Wenn es jemanden gab, der das Schiff noch mehr liebte als Juan, dann war es Max Hanley.
Obwohl die sieben schwer bewaffneten Piraten durch das Schiff streiften und zweiundzwanzig Besatzungsmitglieder in der Kantine gefangen gehalten wurden, herrschte im Operationszentrum keineswegs eine von Sorge geprägte Hektik. Das galt vor allem für Cabrillo.
Diese Operation war mit äußerster Sorgfalt geplant worden. Als die Piraten an Bord gekommen waren – zugegebenermaßen der kritischste Moment, weil niemand wusste, wie sie mit der Mannschaft verfahren würden –, hatten Scharfschützen, die im Bugbereich unsichtbar Stellung bezogen hatten, jeden der sieben Piraten im Visier. Außerdem trug jeder Angehörige der Deckmannschaft einen zwar extrem dünnen, aber schusssicheren Körperpanzer, der sich in deutschen Labors noch in der Entwicklung befand und für die NATO bestimmt war.
Winzige Kameras und Hochleistungsmikrofone waren in jedem Laufgang und jedem Raum im öffentlichen Teil des Schiffes installiert, so dass die Eindringlinge ständig unter Beobachtung standen. Wo immer sie sich gerade aufhielten, stets befanden sich zwei Mitglieder der Corporation in den inneren Räumlichkeiten der Oregon mit ihnen auf gleicher Höhe und waren bereit, auf jede heikle Situation sofort zu reagieren.
Im Grunde war der alte Frachter zwei Schiffe in einem. Von außen betrachtet schien die Oregon kaum mehr als ein Wrack zu sein, das sich bemühte, nicht auf dem Schiffsfriedhof zu landen. Dies alles war jedoch nur eine Fassade, um ihre wahre Natur vor Zollinspektoren, Hafenlotsen und jedem anderen zu verbergen, der sich aus welchen Gründen auch immer auf ihr aufhielt. Ihr schlechter Zustand sollte bewirken, dass jeder, der die Oregon sah, sie sofort wieder vergaß.
Die Roststreifen waren aufgemalt, das Gerümpel auf ihrem Deck war absichtlich und nach Plan arrangiert worden. Das Steuerhaus und die Kabinen im Decksaufbau waren nichts anderes als Theaterdekorationen. Der Pirat, der zurzeit am Ruder stand, hatte überhaupt keine Kontrolle über das Schiff. Der Steuermann erhielt mittels des Computersystems Daten vom Ruder und nahm die entsprechenden Kurskorrekturen vor.
All das war nur der Tarnmantel über diesem ausgezeichnet entwickelten Schiff, das vor allem Informationen sammelte. Die Oregon starrte nur so vor versteckten Waffen und verfügte über eine elektronische Ausrüstung, mit der sie jedem Zerstörer der Aegis-Klasse mindestens ebenbürtig war. Ihr Rumpf war ausreichend gepanzert, um den meisten konventionellen Waffen, die von Terroristen benutzt wurden – wie zum Beispiel raketengetriebene Granaten –, standzuhalten. Sie hatte zwei Mini-U-Boote an Bord, die durch spezielle Tore in ihrem
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