Kaperfahrt
fing sich ein paar Granatsplitter im Rücken ein. Ich habe etwa zwanzig winzige Trümmer herausgeholt. Er hat ziemlich viel Blut verloren, und es gibt den ein oder anderen Muskelriss, aber von all dem wird er sich erholen.«
»Gott sei Dank«, seufzte Juan erleichtert und dachte bereits an die Standpauke, die er Mark Murphy halten würde. Er hätte die Heck-Gatling viel schneller einsatzbereit haben müssen. »Und was ist mit diesen Burschen?«
»Zwei haben das Gehör verloren«, erwiderte Dr. Huxley in sachlichem Tonfall. »Ich weiß nicht, ob dieser Zustand von Dauer ist, aber viel hätte ich sowieso nicht tun können. Ein paar andere haben nur oberflächliche Verletzungen. Ich habe die Splitter herausgeholt und sie mit so viel Antibiotikum vollgepumpt, wie ich gerade noch verantworten konnte. Sollten sie sich eine Infektion zuziehen, dann dürfte es ihnen sehr schlecht gehen, wenn man die Umstände bedenkt, unter denen sie leben.«
Den beiden Somalis, die angeschossen worden waren, hatte man Nylontaschen mitgegeben. Cabrillo vermutete, dass sie weitere Medikamente und schriftliche Dosierungsanweisungen enthielten. Außerdem ging er davon aus, dass die Männer die Medikamente gar nicht einnähmen, sondern dass sie irgendwann auf dem Schwarzmarkt Somalias auftauchen mochten.
Die Verwundeten wurden auf das Floß gesetzt, dann öffnete man die äußere Tür. Juan nahm mit dem Operationszentrum Verbindung auf und bat Eric, das Schiff zu stoppen. Bei der mäßigen Geschwindigkeit, mit der sie unterwegs waren, brauchten die Druckdüsen nur wenige Minuten, um das Schiff zu bremsen, bis es sich wie eine alte Muttersau in den Wellen wiegte. Wasser leckte am unteren Ende der Rampe. Gleichzeitig konnte Cabrillo erkennen, dass sie im Begriff waren, den Mangrovenwald zu verlassen. Bei steigender Flut würde das Floß nach Westen treiben, bis es schließlich irgendwo im Sumpf hängenblieb. Die Männer würden in etwa einer Stunde aufwachen, so dass es ihnen abgesehen von ein wenig Flüssigkeitsmangel ganz gut ginge.
Er half mit, das Floß in Position zu bringen, bis es die Rampe von allein hinunterrutschte. Es tauchte nahezu lautlos ins Wasser ein und entfernte sich durch seinen Schwung gleich ein paar Meter vom Schiff.
Juan aktivierte abermals das Interkom. »Okay, Eric, lenk uns gemütlich weg von ihnen, und wenn sie eine Viertelmeile hinter uns sind, dann gib Gas und bring uns zu dem Fischerboot.«
»Roger.«
Eine halbe Stunde später standen Juan und Giuseppe Farina draußen auf dem Brückenflügel. Mannschaftsmitglieder waren damit beschäftigt, die kosmetischen Schäden, die der RPG-Angriff hinterlassen hatte, zu beseitigen. Relingabschnitte wurden ersetzt und Brandspuren mit einer dicken Farbschicht überpinselt. Männer wurden in Bootsmannsstühlen an der Seite des Schiffes herabgelassen und schweißten dort, wo die Flugabwehrgeschosse durch die Panzerung gedrungen waren, Stahlplatten auf den Rumpf. Andere Männer rüsteten im Schiffsinnern die Kabinen wieder mit Matratzen und Möbeln aus dem Schiffsfundus aus. Max Hanley stellte eine Liste mit allem auf, das sie anschaffen müssten, damit der alte Frachter wieder in seinem gewohnten Glanz erstrahlte.
Die Oregon pflügte weit unterhalb ihrer Höchstgeschwindigkeit mit gut dreißig Knoten durch die niedrigen Wellen, als Linda Ross’ von Natur aus bereits ausgeprägt hohe Stimme aus dem blechern klingenden Lautsprecher drang. »Großer Meister, wir haben genau vier Meilen vor uns einen Radarkontakt.«
Juan setzte ein Fernglas an die Augen und fand nach einem kurzen Moment einen winzigen Fleck auf dem sonst leeren Ozean. Es dauerte noch ein paar Minuten, bis er sich zu einem Fischerboot vergrößerte – ähnlich dem, das sie vor Kurzem erst angegriffen hatte.
»Wann wird der amerikanische Zerstörer in diesem Gebiet eintreffen?«, fragte Juan seinen Freund.
»Morgen früh. Damit bleibt uns ausreichend Zeit, uns davonzustehlen. Didi und die anderen werden dann wahrscheinlich noch gar nicht aufgewacht sein. Und selbst wenn: Sie dürften von dem Betäubungsmittel derart benommen sein, dass sie sich lammfromm verhalten werden. Und mach dir keine Sorgen, das Boot hat kein Funkgerät und keinen Treibstoff. Die Chance, dass irgendetwas damit geschieht, ehe eure Navy es erreicht, ist gleich null.«
Eric lenkte die Oregon längsseits neben den alten Fischerkahn, so dass die Männer in der Bootsgarage an Bord springen und ihn mit Leinen am Frachter festmachen konnten.
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