Kaperfahrt
Als es von allen Männern verlassen worden war, feuerte er. Das Steuerhaus wurde wie ein Gartenschuppen, der mit einem Tornado Bekanntschaft gemacht hatte, weggefegt. Der Bug wurde derart gründlich zerstört, dass, bei nach vorne geschobenen Gashebeln, Wasser in großen Massen in den Rumpf strömte. Der Anblick erinnerte ihn an ein U-Boot, das gerade im Begriff war, auf Tauchstation zu gehen, nur mit dem kleinen Unterschied, dass dieses Schiff gewiss nie wieder auftauchen würde.
Oben im Decksaufbau nahmen Juan und seine beiden Gefährten die Jagd erneut auf. Da er auf Grund eines ständigen Klingelgeräusches noch immer nicht sehen konnte, verließ sich Cabrillo auf seinen Jagdinstinkt. Sie gingen langsam und methodisch zu Werke und inspizierten den gesamten Bereich – Raum für Raum. Als sie die mit einem grausigen Inhalt gefüllte Kabine entdeckten, in deren Nähe eine der Raketen eingeschlagen hatte, schossen sie ihre Pfeile auf die beiden ertaubten Piraten ab. Der dritte Mann sah am ehesten wie eine Lumpenpuppe aus, der man die Hälfte ihrer Füllung herausgerissen hatte.
Die Explosionen und die Tatsache, dass sie spüren konnten, wie das Schiff Fahrt machte, versetzten die Rebellen beinahe in Panik. In der Dunkelheit stießen sie verzweifelte Hilfeschreie aus – und diejenigen, die auf eine verriegelte Tür stießen, kratzten an den Stahlplatten, als wollten sie sich mit bloßen Händen hindurchgraben. Sie hatten keine Ahnung, dass sie beobachtet wurden, bis sie von einem Pfeil, der aus dem Nichts kam, getroffen wurden.
Hätten diese Männer vor der Küste keine Schiffe überfallen und geplündert, Juan hätte beinahe Mitleid mit ihnen empfunden. Doch als Seemann hatte er eine besonders ausgeprägte Abscheu vor Seeräubern und Piraterie, daher empfand er überhaupt nichts, als er noch ein weiteres Mal schoss und den Letzten von ihnen ins Land der Träume schickte.
»Okay, Linda, das war’s«, meldete Juan. »Öffne den Decksaufbau, und schick ein paar Helfer her. Bestell Hux, sie soll die Verletzten so gut wie möglich versorgen, aber ich will diesen Abschaum in spätestens einer halben Stunde nicht mehr auf dem Schiff sehen.«
Cabrillo nahm die klobige Nachtsichtbrille ab, als die Schutzplatten vor den Außentüren und den Fenstern hochgefahren wurden und die Leuchtstoffröhren nach und nach aufflammten. Mit dem Ärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Anschließend war er durchnässt – und Juan wusste sehr gut, dass die Temperatur nur zum Teil für seinen Schweißausbruch verantwortlich war. Seine Gliedmaßen zitterten noch von den Nachwirkungen des Adrenalinrausches.
Wenig später wimmelte es im Decksaufbau von Personal, das sich um die bewusstlosen Piraten kümmerte. Giuseppe kam auf Juan zu und reichte ihm eine Wasserflasche, die mit Kondenswasser beschlagen war. Er begleitete Juan, als dieser zum Operationszentrum ging. Der Italiener musste lange Schritte machen, um das Tempo mitzuhalten.
»Ich dachte, amico, es wäre vielleicht ganz klug, ein paar von diesen Männern mitzunehmen, wenn wir Didi in das Fischerboot setzen, das wir in unsere Gewalt gebracht haben.«
Cabrillo trank einen tiefen Schluck und erwiderte dann: »Das wäre sicher überzeugender, als ihn allein auf eine Spazierfahrt zu schicken, nicht wahr?«
»Sí. «
»Hast du noch etwas von dieser Amnesiedroge?«
»Für zwei weitere Männer dürfte es reichen, denke ich.«
»Ist mir nur recht«, sagte Juan beiläufig, während sie das Nervenzentrum des Schiffes betraten.
Cabrillo reichte ein schneller Rundblick, um sich ein Bild über die augenblickliche Lage zu verschaffen. Mittlerweile waren sie weit genug vom Lager der Piraten entfernt, so dass sie keinen weiteren Angriff durch die RPGs befürchten mussten, und da sie auch keine Verfolgerboote mehr sehen konnten, ging er davon aus, dass Murph sie abgeschüttelt hatte. Eric hatte die Oregon so weit zurückgesteuert, bis sie die enge Kanalbiegung fast erreicht hatte.
»Wie kommst du zurecht, Eric?«, erkundigte er sich.
»Es ist fast so, als wollte man einen Pudding an die Wand nageln, Juan. Angesichts der einsetzenden Flut, eines auffrischenden Windes und der geringen Wassertiefe kann ich kaum begreifen, wie du uns heil in diesen Winkel bringen konntest.«
»Soll ich übernehmen?«
»Ich will es erst mal selbst versuchen.«
»Wir sind unter Beschuss!«, rief Murph plötzlich .
Was die Mannschaft nicht wusste, war, dass parallel zum Kanal ein Erdwall verlief,
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