Kaperfahrt
Proporzgründen zu seinem Amt gekommen war. Er besaß keinerlei diplomatische Erfahrung und, wie alle wussten, auch nicht allzu viel Hirn.
Der VP hatte einmal eine kurdische Abordnung im Weißen Haus empfangen und sie ständig mit Türken verwechselt. Während eines Staatsbanketts für den chinesischen Präsidenten hatte er ihm einen Teller unter die Nase gehalten und gemeint, dass die USA mittlerweile sogar besseres Porzellan produzierten als die historische Heimat der Porzellanmanufaktur. Und dann kursierte im Internet monatelang ein Video von ihm, in dem er einer Filmschauspielerin ständig in den Ausschnitt starrte und sich dabei die Lippen leckte.
Charles Moon, der eigentlich nicht viel vom Beten hielt, verspürte plötzlich den dringenden Wunsch, auf die Knie zu fallen und Gott um Fionas Leben zu bitten. Und er wollte auch für die unzähligen Opfer beten, die in dem nicht enden wollenden Kreislauf der Gewalt ihr Leben würden lassen müssen, wenn sie tatsächlich umgekommen war.
»Ihr Aspirin, Sir«, sagte seine Sekretärin.
Er sah hoch. »Lassen Sie gleich die ganze Flasche hier, Karen. Ich werde sie brauchen.«
10
Sobald sich die auf Hochglanz polierten Messingtüren des Lifts im untersten Deck der Oregon öffneten, spürte Juan Cabrillo den pulsierenden Rhythmus in seiner Brust. Es waren nicht die revolutionären Maschinen des Schiffes, die sich in dem mit Teppich belegten Korridor bemerkbar machten, sondern die wahrscheinlich aufwendigste schwimmende Stereoanlage. Für ihn klang die Musik, die aus der einzigen Kabine in diesem Teil des Frachters drang, wie ein ständiges Explosionsgewitter mit einem Begleitgesang, der an das Gejaule eines Dutzends balgender Katzen erinnerte. Das Jaulen hob und senkte sich im Rhythmus, und alle paar Sekunden ließ die Rückkopplung die Lautsprecher aufkreischen.
Mark Murphys Musikgeschmack, wenn man diesen Lärm überhaupt Musik nennen konnte, war auch der Grund dafür, dass es in diesem Teil der Oregon keine weiteren Kabinen gab.
Cabrillo blieb in der offenen Tür stehen. Angehörige der Corporation erhielten ausreichende finanzielle Mittel, um ihre Kabinen nach ihren ganz persönlichen Vorstellungen einzurichten. Seine eigene erinnerte mit ihren Möbeln aus den verschiedensten exotischen Hölzern eher an ein englisches Landhaus als an eine Schiffskabine. Franklin Lincoln, der so gut wie mittellos in den Straßen von Detroit aufgewachsen war und zwanzig Jahre in der Navy gedient und geschlafen hatte, wo immer er hingeschickt worden war, hatte seine Kabine mit einer Pritsche, einer Truhe und einem stählernen Kleiderschrank möbliert. Sein restliches Geld steckte er in eine mit allen Schikanen aufgemöbelte Harley Davidson. Max’ Kabine bildete ein Sammelsurium von nicht zueinander passenden Möbeln, die aussahen, als stammten sie von einer Wohltätigkeitsorganisation.
Und dann waren da noch Mark und sein Bruder im Geiste, Eric Stone. Erics Behausung war mit jeder denkbaren Videospielkonsole und Bedienungseinheit der wahr gewordene Traum eines hochbegabten Stubenhockers. Die Wände waren mit Pin-up-Girls und Werbeplakaten für Videospiele bedeckt. Der Fußboden bestand aus einem Gummi, das statische Elektrizität hemmen sollte, und darüber verliefen an die zweitausend Fuß aller möglichen Kabel. Sein Bett war nicht mehr als ein ungemachter Haufen aus Laken und Decken, die in einer Ecke aufgestapelt waren.
Mark hatte sich für den minimalistischen Look entschieden. Die Wände seiner Kabine waren im gleichen mattgrauen Farbton gestrichen, den auch der Teppichboden hatte. Eine Wand wurde von einem Video-Displaysystem von fast sechs Metern Breite eingenommen, das aus Dutzenden von einzelnen Flachbildschirmen bestand. Zur Einrichtung gehörten außerdem zwei mit Leder bezogene Polstersessel, ein großes Bett und ein schlichter Schubladenschrank. Beherrscht wurde der Raum von vier Lautsprecherboxen. Jede war gut zwei Meter hoch und ähnelte dem von Frank Gehry entworfenen Guggenheim Museum in Bilbao. Murph war überzeugt, dass rechte Winkel in einem Lautsprechersystem den Klang verfälschten. Juan war sich nicht sicher, ob der junge Waffenexperte bei dem Schrott, den er gewöhnlich hörte, überhaupt einen Unterschied feststellen konnte.
Murph und Stone standen vor der Videowand und betrachteten ein Satellitenbild, das von Langston Overholt übermittelt worden war. Da die Oregon mit voller Kraft na ch Libyen unterwegs war, hatte Cabrillo mit Lang vereinbart, dass
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