Kaperfahrt
engen Terminplans die Zeit nehmen, mich persönlich aufzusuchen.« Moons Stimme klang ernst und gewichtig.
»In Zeiten wie diesen würde Präsident Gaddafi die Anteilnahme unserer Regierung gerne durch sein persönliches Erscheinen demonstrieren, aber wichtige Staatsgeschäfte lassen sich nicht verschieben. Daher betrachten Sie bitte meine bescheidene Anwesenheit als Zeichen, dass wir die Sorge Ihrer Regierung über dieses katastrophale Ereignis in vollem Umfang teilen.« Er streckte seine Hand aus.
Der amerikanische Botschafter drückte sie und deutete dann einladend auf die Sofas vor dem Panoramafenster, das einen weiten Blick auf die glasklaren Fluten des Mittelmeers bot. Am Horizont pflügte ein Tanker nach Westen. Die beiden Männer setzten sich.
Während Moon von kleiner Statur war und sein Anzug wie ein Jutesack an ihm hing, maß der libysche Außenminister einen Meter achtzig und zeigte markante Gesichtszüge und sorgfältig frisiertes Haar. Sein maßgeschneiderter Anzug stammte aus der Savile Row, und seine Schuhe waren auf Hochglanz gewienert. Sein Englisch klang nahezu makellos, und der Anflug eines leichten Akzents unterstrich nur seine weltläufige Eleganz. Er schlug die Beine übereinander und zupfte an dem Stoff seiner Anzughose, um ihr zu einem besseren Faltenwurf zu verhelfen.
»Meine Regierung möchte Ihnen versichern, dass wir umgehend sowohl Such- als auch Rettungsmannschaften sowie Suchflugzeuge in das Gebiet entsandt haben. Wir werden unsere Bemühungen nicht abbrechen, ehe wir nicht ganz genau wissen, was mit Ministerin Katamoras Flugzeug geschehen ist.«
»Wir wissen das sehr zu schätzen, Minister Ghami«, erwiderte Charles Moon förmlich. Als Karrierediplomat wusste er, dass Tenor und Timbre ihrer Unterhaltung genauso wichtig waren wie die Worte. »Wir selbst hätten auf diese Krise gar nicht besser reagieren können, als Ihre Regierung es getan hat. Dass Sie mich aufsuchen, beweist mir, wie ernst es Ihnen mit der Aufklärung dieser möglicherweise entsetzlichen Tragödie ist.«
»Ich weiß, dass die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Nationen noch sehr jung sind.« Ghami deutete mit einer ausholenden Geste auf den Raum. »Sie haben noch nicht einmal ein formelles Botschaftsgebäude und müssen sich vorerst mit einer Hotelsuite bescheiden. Aber ich wünsche mir, dass dies unser bislang so harmonisches Verhältnis in keiner Weise gefährden werde.«
Moon nickte zustimmend. »Seit Mai 2006, als wir unsere Beziehungen wieder aufgenommen haben, sind wir von Ihrer Regierung in jeder Hinsicht unterstützt worden – und wir sind in diesem speziellen Fall der festen Überzeugung, dass keinerlei ganz gleich wie geartete Absicht dazu geführt hat.« Er verlieh seinen Worten besonderen Nachdruck und fügte als weitere Bekräftigung hinzu: »Solange uns keine weiteren Informationen zur Kenntnis gelangen, betrachten wir dies als einen tragischen Unfall.«
Diesmal nickte Ghami zustimmend. Er hatte die Botschaft verstanden. »Ein tragischer Unfall, in der Tat.«
»Kann unsere Regierung in irgendeiner Weise helfen?«, fragte Moon, obgleich er die Antwort kannte. »Der Flugzeugträger Abraham Lincoln liegt gegenwärtig in Neapel vor Anker und könnte sich schon in ein oder zwei Tagen an der Suche beteiligen.«
»Ich würde nichts lieber tun, als Ihr freundliches Angebot anzunehmen, Botschafter. Wir sind jedoch der Überzeugung, dass unsere militärischen und zivilen Suchmannschaften der Aufgabe mehr als gewachsen sind. Ich wage gar nicht, mir die diplomatischen Verwicklungen auszumalen, die ein weiteres Flugzeugunglück zur Folge haben könnte. Außerdem ist dem libyschen Volk der letzte Einsatz amerikanischer Kampfflugzeuge in unserem Luftraum noch in frischer Erinnerung.«
Er bezog sich auf die am 14. April 1986 von FB-111 und Trägerflugzeugen durchgeführten Luftschläge, in deren Verlauf mehrere Armeebaracken zerstört und libysche Luftabwehrstellungen schwer beschädigt wurden. Die Luftschläge erfolgten seinerzeit als Reaktion auf eine Serie von Bombenanschlägen in Europa, die die Vereinigten Staaten mit einer von Libyen unterstützten terroristischen Gruppierung in Verbindung gebracht hatten. Libyen leugnete damals zwar jede Beteiligung, jedoch zeigte die weitere Entwicklung, dass danach keinerlei Bombenanschläge mehr stattfanden, bis zwanzig Jahre später Al-Qaida auf den Plan trat.
Ghami gestattete sich den Anflug eines Lächelns. »Natürlich gehen wir davon
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