Kaperfahrt
dunklen Frachtraum unter der Passagierkabine. Dort stank es zwar nach verbranntem Treibstoff, aber sie brauchten wenigstens nicht den Geruch der verwesenden Leichen zu ertragen. Mark ging zielstrebig zu einer Bodenklappe. Er löste die Verriegelung und hievte sie auf. Darunter befanden sich die großen Reifen und das Drehgestell des Backbordfahrwerks der 737. In Anbetracht dessen, was hier passiert war, wirkte alles bemerkenswert intakt.
Murph sprang in den Schacht hinunter und richtete den Lichtstrahl seiner Taschenlampe auf einen der Reifen. Er untersuchte ihn Zentimeter für Zentimeter.
»Nichts«, murmelte er und bückte sich tief hinab, um das andere Rad zu kontrollieren.
Eine Minute später tauchte er wieder auf. Zwischen den Fingern hielt er einen kleinen Stein, als wäre es der Hope-Diamant. »Da ist dein Beweis.«
»Ein Stein?«, fragte Linda.
»Ein Bröckchen Sandstein, das im Profil klemmte. Und auf der unteren Klappe liegt Sand.« Als er den verwirrten Ausdruck der Gesichter bemerkte, die zu ihm hinabstarrten, fügte er hinzu: »Diese Maschine ist vermutlich von der Andrews Air Force Base gestartet, nach London geflogen und anschließend abgestürzt, richtig? Aber wo sollte sie auf diesem Weg einen Brocken Sandstein aufgelesen haben, der genauso aussieht wie jeder Stein im Umkreis von eintausend Meilen?«
»Sie ist in der Wüste gelandet«, sagte Juan. »Murph, du hast einen Volltreffer gelandet. Das ist tatsächlich der Beweis.«
Juan verstaute den kleinen Stein in seiner Brusttasche. »Für den Fall, dass es die Jungs vom NTSB übersehen sollten, muss diese Probe genau analysiert werden. Aber für mich ist es ein eindeutiger Beweis.«
Der Lärm kam aus dem Nichts, und alle vier zogen unwillkürlich die Köpfe ein, als ein großer Hubschrauber dicht über sie hinwegdröhnte. Er flog so niedrig, dass sein Rotorwind dichte Staubwolken aufwirbelte.
Er war aus Nordosten gekommen, wahrscheinlich von einer libyschen Militärbasis in der Umgebung von Tripolis, und musste dicht über Grund geflogen sein, um von den AWACS-Flugzeugen der Navy nicht entdeckt zu werden. Während der Helikopter abbremste und zur Landung ansetzte, konnten sie erkennen, dass es ein großer, in Russland erbauter M-8-Frachthubschrauber war, der an die fünf Tonnen Nutzlast befördern konnte. Der Klang seiner Turbinen veränderte sich, als er sich der Bergspitze, die etwa fünfhundert Meter vom abgetrennten Flugzeugrumpf entfernt lag, näherte.
»Brauchst du jetzt noch einen weiteren Beweis, dass sie über die Absturzstelle sehr gut Bescheid wissen?«, fragte Mark und deutete auf den mit khakifarbenem Tarnanstrich versehenen Helikopter. »Die Typen wussten ganz genau, wohin sie wollten.«
»Kommt.« Juan zog sich in den hinteren Teil des Frachtraums zurück. »Gehen wir in Deckung, ehe sich der Staub um den Chopper gelegt hat.«
Sie krochen durch den Flugzeugrumpf und sprangen am anderen Ende heraus. In der näheren Umgebung des Flugzeugwracks gab es nur wenige natürliche Deckungsmöglichkeiten, daher rannten sie den Berghang hinunter, bis sie zu einem ausgetrockneten Bachbett kamen, durch das vor Jahrmillionen das Regenwasser aus den Bergen abgeflossen war. Als jeder seinen Platz gefunden hatte, bedeckte Juan sie mit einer dünnen Sandschicht und grub sich selbst so tief wie möglich ein. So hatten sie zwar nicht die beste Sicht, waren aber immerhin weit genug entfernt, um nicht befürchten zu müssen, dass sich jemand aus dem Hubschrauber bis zu ihnen verirrte.
»Was meinst du, was dort gerade los ist?«, fragte Mark im Flüsterton.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, erwiderte Juan. »Linda? Linc?«
»Ich muss auch passen«, brummte Linc.
»Vielleicht hat jemand erkannt, dass ihr Arrangement nicht so überzeugend war, wie es hätte sein sollen«, vermutete Linda, »und nun sind sie zurückgekommen, um Fehler zu korrigieren.«
Oben auf dem Gipfel verstummten die Turbinen, und der große Rotor wurde langsamer. Schließlich drehte er sich nicht schneller als ein Deckenventilator. Die großen gerundeten Türklappen unter dem Heckausleger klafften auf, und Männer stiegen aus. Sie trugen khakifarbene Wüstenkampfanzüge, und ihre Köpfe waren mit rot-weiß gemusterten Kufiyas bedeckt, den Kopftüchern, die zur Standardkluft militanter Islamisten überall im Nahen Osten gehören.
»Sind das reguläre Armeesoldaten oder Guerillas?«, fragte Linc.
Juan beobachtete das Geschehen eine Zeitlang und meinte dann: »So wie
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