Kaperfahrt
Statur wie Cabrillo, was ihn auch auf seine Idee gebracht hatte. Juans naturblondes Haar war dunkel gefärbt, und er trug braune Kontaktlinsen. Da er fließend Arabisch sprach und die Kufiya seine Gesichtszüge ja verbarg, konnte er es durchaus schaffen, den Austausch unbemerkt vorzunehmen.
Er warf Linc den Zündschlüssel des Pig zu und war schon im Begriff, ihr Versteck zu verlassen, als Linda ihn am Arm festhielt. »Was machen wir mit dem Kerl?«
»Lasst ihn einfach hier. Ich habe so eine Ahnung, dass die libysche Regierung innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden bekanntgeben wird, dass sie die Absturzstelle gefunden haben. Ich denke, hier wird es bald von Menschen wimmeln. Denen kann er dann erklären, was zum Teufel er hier draußen zu suchen hat.«
Damit schlich sich Cabrillo davon. Robbend überwand er die Distanz zu dem ahnungslosen Mann in weniger als einer Minute. Dabei half ihm, dass die Turbinen des Helikopters anliefen und mit ihrem schrillen Aufheulen jedes andere Geräusch übertönten.
Unsichtbar für die anderen Männer hinter dem Hügel wartete Juan, bis der Mann sein Geschäft beendet hatte, ehe er die letzten Meter rennend überwand. Der Mann wandte ihm den Rücken zu und machte gerade Anstalten, sich aufzurichten und die Hose hochzuziehen, als ihm Cabrillo einen faustgroßen Stein gegen den Hinterkopf schmetterte. Er erinnerte sich an den Somali, den er auf ähnliche Art und Weise eine Woche zuvor niedergestreckt hatte, und legte genügend Wucht in seinen Hieb, um den Libyer auch tatsächlich zu Boden zu schicken.
Juan nickte zufrieden, als er den Puls am Hals des Mannes ertastete, und zog ihm dann die Kleider aus. Glücklicherweise war er einer der wenigen, die feste Stiefel an den Füßen hatten. Sie würden die glänzenden Titanstreben seines künstlichen Beins gut verbergen. Als er die Kufiya wegzog, blickte er in das Gesicht eines durchschnittlich aussehenden Mannes zwischen Ende zwanzig und Anfang dreißig. Nichts in seinen Gesichtszügen deutete darauf hin, dass er kein Libyer war, aber Juan konnte sich dessen natürlich nicht sicher sein. In keiner Tasche seines Kampfanzugs steckte ein Ausweis oder irgendetwas anderes, anhand dessen man ihn hätte identifizieren können. Die Kleider besaßen nicht einmal irgendwelche Etiketten.
Cabrillo zog den bewusstlosen Mann weiter von der Absturzstelle weg und vergewisserte sich, dass sein Satellitentelefon sicher in der Rückentasche verstaut war. Ohne dieses Gerät hätte er niemals auch nur in Erwägung gezogen, was er gerade tat. Dann wartete er, aber nicht sehr lange. Irgendjemand rief und übertönte den Lärm der Hubschraubermotoren.
»Mohammad! Mohammad! Nun komm!«
Damit kannte Juan den Namen des Mannes, dessen Rolle er übernehmen wollte. Er drapierte die Kufiya ein wenig enger um sein Gesicht und wagte sich hinter dem Hügel hervor. Der Soldat, den sie vorher als Anführer des zwanzig Mann starken Trupps identifiziert hatten, stand etwa dreißig Meter vom Hubschrauber entfernt. Er winkte Juan. Cabrillo erwiderte die Geste und rannte los.
»Noch eine Minute und wir hätten dich hier draußen bei den Skorpionen zurückgelassen«, bekam Juan zu hören, als er ihn erreichte.
»Tut mir leid«, sagte Cabrillo. »Ich muss mir den Magen verdorben haben.«
»Nicht schlimm.« Der Truppführer klopfte ihm auf die Schulter, und gemeinsam kletterten sie in den Helikopter. An den Wänden des Frachtabteils befanden sich Klappsitze. Juan ließ sich auf einen Platz sinken, der ein Stück entfernt von den anderen war. Dabei achtete er darauf, dass die Hose seine Beinprothese vollständig bedeckte. Beruhigt stellte er fest, dass nicht alle Männer ihre Kufiyas heruntergezogen hatten, daher lehnte er den Kopf gegen das warme Aluminium der Rumpfhülle und schloss die Augen.
Er hatte keine Ahnung, ob er sich inmitten einer regulären Armeeeinheit befand oder von fanatischen Terroristen umgeben war. Aber er entschied, dass es ohnehin gleichgültig wäre, wenn sie ihn einmal entlarvt hatten. Dann wäre er so oder so ein toter Mann. Sekunden später befanden sie sich in der Luft.
13
Die Musik steigerte sich, als sich das Finale ankündigte. Das Orchester hatte nie besser gespielt, hatte nie zuvor mehr Leidenschaft entwickelt. Das Gesicht des Dirigenten glänzte von Schweiß, sein Taktstock wirbelte und zuckte durch die Luft. Das Publikum jenseits der grellen Bühnenscheinwerfer war von der Darbietung gebannt und wusste, dass es an einem
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