Kaperfahrt
anderen nur gefangen genommen hatte. Der Leichnam war ein kurzes Stück wegtransportiert und dann gekreuzigt worden.
»Es ist möglich, dass sie Katamoras Maschine über sich haben hinwegfliegen sehen«, vermutete Mark. »Als sie erkannten, dass der Jet in Schwierigkeiten war, haben sie wahrscheinlich beschlossen nachzusehen.«
»Und dabei sollen sie rein zufällig auf eine Grenzpatrouille gestoßen sein?« Lindas Bemerkung war weniger eine Frage als eine Feststellung.
»Keine Grenzpatrouille«, sagte Linc, der schon ahnte, welche Überlegungen ihr durch den Kopf gingen. »Die Terroristen sind dem vorausberechneten Flugweg gefolgt, um jeden zu eliminieren, der die Maschine gesehen hat.«
»Wenn man den Ort betrachtet, wo der Überfall stattgefunden hat, befanden sich die Vertreter des Außenministeriums ziemlich weit südlich ihres Basislagers«, erklärte Mark. »Sie waren zwar am richtigen Ort, es war jedoch der falsche Zeitpunkt.«
»Was sollen wir also tun?«, wollte Linc von Linda Ross wissen.
Als Vizepräsidentin der Corporation und verantwortlich für den operativen Bereich war sie rein formell die Chefin des Teams. Sie zog in Erwägung, Max anzurufen und ihm die Entscheidung zu überlassen. Aber Hanley hatte nicht gesehen, in welchem Zustand sich die Leiche befand, und konnte demnach auch nicht nachvollziehen, was sie empfunden hatte, als sie erkannte, wer es gewesen war. Soweit es um taktische Fragen ging, ließ Linda nur sehr selten zu, dass ihre Emotionen irgendwelche Entscheidungen beeinflussten. Kein guter Kommandeur tat dies. Als sie ihre Gefährten jedoch diesmal ansah, wusste sie sofort, dass die einzig richtige Entscheidung in diesem Moment die war, die Bestien zu verfolgen, die dies getan hatten. Mit ein wenig Glück würden sie eine von ihnen lebend schnappen. Zwar war zu bezweifeln, dass ein einfacher Fußsoldat bis in alle Einzelheiten wusste, was diese Leute mit der Außenministerin vorhatten, doch jede Information war besser als gar keine.
»Sie haben einen Riesenvorsprung«, sagte sie, wobei sie vor mühsam gezügelter Wut kaum die Zähne auseinanderbekam.
»Das ist mir egal«, sagte Linc.
»Um das Ganze etwas einfacher zu gestalten«, sagte Mark, »erinnere ich daran, dass immerhin eine Fifty-fifty-Chance besteht, dass die beiden Amerikaner von den Libyern gefangen genommen wurden, als sie ihren Lastwagen stoppten.«
Daran hatte Linda gar nicht gedacht – und es war die letzte Information, die ihr noch fehlte, um ganz sicher sein zu können, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. »Steigt ein.«
Den Reifenspuren des Bohr-Lkw durch die Wüste zu folgen war genauso einfach, wie sich an der durchbrochenen Mittellinie einer Landstraße zu orientieren. Das Fahrzeug war schwer genug, so dass die Reifenspuren noch nicht vom Wind zugeweht worden waren. Und als die Sonne hinter einigen Bergen in der Ferne versank, aktivierte Mark das FLIR-System des Pig. Eigentlich für den Einsatz in Kampfhubschraubern entwickelt, konnte das Forward-Looking-Infrared-System Wärmequellen aufspüren und würde sie somit frühzeitig warnen, sollten sie sich dem heißen Motor eines Lastwagens nähern.
Linc justierte ein Nachtsichtgerät vor seinen Augen. Da es sowohl mit passiven als auch aktiven Leuchtkraftverstärkern im infrarotnahen Spektralbereich arbeitete, konnte er sich damit sogar in vollkommener Dunkelheit orientieren. Der Viertelmond, der gerade hinter ihnen aufging, lieferte dem hochmodernen Gerät der dritten Generation mehr als genug Licht.
Niemand sagte etwas, während sie durch die Einöde rollten. Es gab auch nichts zu bereden. Alle drei hatten die gleichen Gedanken, die gleichen Sorgen und den gleichen Willen, den Toten zu rächen. Keiner klagte über die Schlaglöcher und Bodenwellen, die der Lastwagen heftig schwankend überwand. Was die Stoßdämpfer nicht abfederten, das mussten ihre Körper ertragen.
»Wie weit sind wir von der tunesischen Grenze entfernt?«, fragte Linda nach einigen Stunden.
Mark überprüfte ihre Position auf seinem Computer. »Etwa acht Meilen.«
»Gib Gas. Ich bezweifle, dass sie sie überqueren.«
Die geisterhaften Schatten, die der aufgehende Mond erzeugte, verschwanden plötzlich, als sich ein Wolkenvorhang vor ihn schob. Lincs Nachtsichtbrille hatte nicht mehr genug natürliches Licht, daher schaltete er die aktive Aufhellungselektronik ein. Sie sandte Lichtwellen im infrarotnahen Spektrum aus, die für das menschliche Auge zwar unsichtbar, mit
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