Kaperfahrt
draußen hereindrang, wusste er, dass er sich in Schwierigkeiten befand. Und zwar bis zum Hals.
Auf einer libyschen Luftwaffenbasis der Entdeckung zu entgehen wäre noch relativ einfach gewesen. An die tausend Männer wären dort stationiert, es gäbe Dutzende von Gebäuden, in denen man sich hätte verstecken können. Und es gab die Anonymität, die mit dem ständigen Wechsel militärischen Personals einherging, das von einem Kommando zum nächsten geschickt wurde.
Aber der Mi-8 war nicht auf einem Luftwaffenstützpunkt gelandet. Er stand hoch oben in den Bergen auf einem abgeschirmten Plateau, das einen Ausblick auf mehrere atemberaubende Täler bot. Unterhalb des Landefeldes, das einer Fläche aus festgestampfter Erde entsprach, befand sich ein Ausbildungslager. Während er mit den anderen Männern den Hubschrauber durch die Hecköffnung verließ, konnte er Dutzende von Zelten sehen, außerdem einen Exerzierplatz, eine Hindernisbahn und einen Schießstand.
Juan hütete sich, vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Die Tatsache, dass es sich dem äußeren Anschein nach um ein Terroristencamp handelte, bedeutete nicht notwendigerweise, dass es nicht von der Regierung betrieben wurde. Schließlich befand er sich immer noch in Libyen.
Auf einer Seite am Rand der Anlage erhob sich die Nachbildung eines dreistöckigen Gebäudes, das aus einem mit Stoff bespannten Stahlgerüst bestand. Das Bauwerk, welches es darstellte, war so groß wie ein Büroblock, mit einer Begrenzungsmauer, einem Kragdach, das über eine kreisförmige Zufahrt hinausragte, und einem Seitenflügel, der Juan spontan an einen Wintergarten denken ließ. Nur dass der Bau für eine Privatresidenz viel zu weitläufig war. Die Rückseite des Gebäudes wurde von einem umschlossenen Gelände eingenommen. Zwar hatte man sich nicht die Mühe gemacht, es seinem echten Vorbild entsprechend herzurichten, jedoch waren ebenfalls mit Stoff bespannte Zäune errichtet worden, die offenbar Zierhecken darstellen sollten.
Während der Lärm der Turbinen abnahm, konnte Cabrillo das Stampfen von Generatoren unter ihnen hören, überlagert vom Gesang eines Muezzins, der die Gläubigen zum Mittagsgebet rief. Männer eilten durch das Camp, jeder mit einem Gebetsteppich unter dem Arm. Sie versammelten sich auf dem Exerzierplatz, richteten ihre Teppiche nach Osten und zur heiligen Stadt Mekka aus. Er schätzte die Anzahl der Betwilligen auf mindestens zweihundert – gewiss ein Großaufgebot. Aber nicht groß genug für ihn, um lange unerkannt zu bleiben. Irgendwann würde jemand den echten Mohammad vermissen, und dann würde man eine gründliche Suchaktion starten.
So dringend er auch Informationen über diese Gruppe sammeln musste, so lag seine einzige Chance dazu jedoch im Augenblick darin, sich so schnell wie möglich unsichtbar zu machen und darauf zu hoffen, dass er nachts zurückkehren und sich gründlich umsehen konnte.
»Beweg dich«, erhielt er von hinten den Befehl, und er schlurfte die Heckrampe des Hubschraubers hinab.
Auf der anderen Seite des Tals erspähte Juan so etwas wie eine Baustelle oder Baugrube. Er zog sich das Kopftuch tiefer ins Gesicht und schlug die Richtung zum Fußweg ein, der zum Lager hinunterführte. Dabei hielt er sich so dicht hinter seinem Vordermann, dass niemand seine Augen sah. Außerdem achtete er darauf, leicht gebückt zu gehen, um so gut wie möglich zu verbergen, dass er größer als die meisten Männer in seiner Nähe war.
Er hatte keine Ahnung, ob die Leute, die das Flugzeugwrack unkenntlich gemacht hatten, in den Baracken untergebracht waren. Doch davon war wohl auszugehen. Er hatte sie bei der Arbeit beobachtet. Sie waren nicht so diszipliniert vorgegangen wie Berufssoldaten, aber die Art ihres halbwegs geordneten Zusammenwirkens ließ doch darauf schließen, dass sie der gleichen Arbeits- und Ausbildungseinheit angehörten. Ihm war klar, dass sich seine Lebenserwartung nur noch nach Sekunden bemessen würde, sobald sie ihr Quartier erreicht hätten.
Der Weg verlief am Rand einer tiefen Schlucht, deren Flanke von zahllosen Gräben und Wadis durchzogen und mit losem Geröll und Sand bedeckt war. Auf halbem Weg nach unten befand sich ein Felsband, das den oberen Rand einer mindestens zehn Meter hohen vertikalen Felswand bildete. Juan schätzte die Chance, lebend bis auf den Grund der Schlucht zu gelangen, auf nahezu null ein, als sich der Truppführer an der Spitze der kleinen Gruppe plötzlich umwandte und begann, die Kufiyas
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