Kapitaen Bykow
heraushingen. Vorbei an den verschlossenen Kajüten der Ingenieure. Vorbei an den hohen schmalen Türen der Polizeiabteilung. Auf wen sie wohl hier in der Chefetage geschossen haben? Natürlich wird mir keiner sagen, wer geschossen hat. Aber vielleicht kann ich herausfinden, auf wen geschossen wurde? Béla trat in die Polizeiabteilung. Hinter dem Tisch, den Kopf auf eine Hand gestützt, döste Sergeant Higgins, der Polizeichef und einer der drei Polizisten der Bamberga-Gruben. Auf dem Tisch vor Higgins stand ein Mikrofon, rechts ein Funkgerät, links lag eine Zeitschrift mit buntem Umschlag.
»Guten Tag, Higgins«, sagte Béla.
Higgins öffnete die Augen. »Guten Tag, Mr. Barabas.« Seine Stimme klang männlich, aber etwas heiser.
»Was gibt’s Neues, Higgins?«
»Die ›Gea‹ ist angekommen. Sie hatten Post dabei. Die Frau schreibt, dass ich ihr sehr fehle. Als ob sie mir nicht fehlen würde. Für Sie sind auch vier Pakete dabei. Ich habe gesagt, dass man sie Ihnen bringen soll. Ich dachte, Sie sind bei sich.«
»Danke, Higgins. Wissen Sie nicht, wer heute auf dieser Etage geschossen hat?«
Higgins überlegte. »Ich kann mich nicht entsinnen, dass heute geschossen worden wäre.«
»Und gestern Abend? Oder nachts?«
Higgins sagte: »Nachts hat jemand auf Ingenieur Meier geschossen.«
»Das hat Ihnen Meier selbst gesagt?«
»Ich war nicht da. Ich hatte Dienst im Saloon.«
»Sehen Sie, Higgins«, sagte Barabas. »Ich war eben beim Manager. Er hat mir zum dutzendsten Mal versichert, dass hier nur ihr Polizisten Waffen habt.«
»Kann durchaus sein.«
»Also hat jemand von Ihren Untergebenen auf Meier geschossen?«
»Das glaube ich nicht. Tom war mit mir im Saloon, und Konrad ... Wozu sollte Konrad auf den Ingenieur schießen?«
»Also hat noch jemand eine Waffe?«
»Ich habe sie nicht gesehen, Mr. Barabas, diese Waffe. Wenn ich sie gesehen hätte, hätte ich sie beschlagnahmt. Weil Waffen verboten sind. Aber ich habe sie nicht gesehen.«
Béla war mit einem Mal alles egal. »Schön«, sagte er träge. »Letzten Endes ist es Ihre Sache, das Gesetz zu bewahren, und nicht meine. Meine Sache ist es, die IKKK zu informieren, wie Sie mit Ihren Pflichten zurechtkommen.«
Er machte kehrt und verließ den Raum. Er fuhr mit dem Lift hinunter in die zweite Etage und ging durch den Saloon. Im Saloon war niemand. Die Wände entlang blinkten mit gelben Lämpchen die Verkaufsautomaten. Man müsste sich besaufen, dachte Béla. Sich wie ein Schwein volllaufen lassen, sich ins Bett legen und zwei Tage durchschlafen. Und dann aufstehen und sich wieder besaufen. Er durchquerte den Saloon und ging einen langen breiten Korridor entlang. Der Korridor wurde »Broadway« genannt und führte vom Saloon zu den Toiletten. Auch hier hingen Plakate, die daran erinnerten, dass »die Interessen des Unternehmens deine Interessen« seien, es hingen da die Kinoprogramme für die nächsten zehn Tage, Börsenberichte, Lotterietabellen, Tabellen von Baseball- und Basketballspielen auf der Erde und Tabellen von Box- und Freistilkämpfen, die hier auf der Bamberga stattfanden. Auf den »Broadway« gingen die Türen beider Kinosäle und der Bibliothek. Die Sporthalle und die Kirche befanden sich eine Etage tiefer. Abends war auf dem »Broadway« kein Durchkommen, und die Augen wurden von den bunten Lichtern sinnloser Reklamen geblendet. Übrigens, gar so sinnlos waren sie nicht – sie erinnerten den Arbeiter allabendlich daran, was ihn auf der Erde erwartete, wenn er mit vollen Taschen zu den Heimatplaneten zurückkehrte.
Jetzt lag der »Broadway« leer und im Halbdunkel. Béla schwenkte in einen der Korridore. Rechts und links zogen sich einheitliche Türen hin. Hier befanden sich die Wohnräume. Durch die Türen drang der Geruch von Tabak und Kölnischwasser. In einem der Zimmer sah er einen Mann auf dem Bett liegen, und er trat ein. Das Gesicht des Mannes war mit Pflastern bedeckt. Ein einzelnes Auge blickte traurig an die niedrige Decke.
»Was ist mit dir, Joshua?«, fragte Béla und trat ans Bett.
Das traurige Auge Joshuas fixierte ihn. »Ich liege«, sagte Joshua. »Ich sollte im Bergwerk sein, aber ich liege. Und verliere jede Stunde eine Menge Geld. Ich trau mich nicht einmal auszurechnen, wie viel ich verliere.«
»Wer hat dich verprügelt?«
»Woher soll ich das wissen? Ich war gestern so voll, dass ich mich an nichts mehr erinnere. Der Teufel hat mich geritten ... Einen ganzen Monat hab ich durchgehalten. Und jetzt hab ich
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