Kapitän Singleton
Meine ganze Seele war von Verblüffung und Bestürzung erfüllt. Ich dachte, ich sänke in die Ewigkeit hinab, erkannte die göttliche Gerechtigkeit meiner Strafe an, fühlte aber keines der bewegenden, lindernden Merkmale einer echten Reue; mich peinigte die Strafe, jedoch nicht das Verbrechen, ängstigte die Rache, aber erschreckte nicht die Schuld; ich fand noch ebensoviel Geschmack am Verbrechen, wenn mich auch der Gedanke an die Vergeltung, von der ich glaubte, ich müsse sie sogleich erleiden, zutiefst schaudern ließ.
Vielleicht aber werden viele meiner Leser zwar für den Donner und den Blitz Verständnis haben, von dem übrigen dagegen nicht viel halten oder vielmehr über all das spotten; deshalb will ich gegenwärtig nicht mehr darüber sagen, sondern mit der Geschichte der Reise fortfahren. Als der Schreck vorbei war und die Leute begannen, wieder zu sich zu kommen, riefen sie einander, jeder seinen Freund oder 249
diejenigen, von denen er am meisten hielt, und es bereitete ihnen größte Befriedigung festzustellen, daß niemand verletzt war. Als nächstes kam die Frage, ob das Schiff nicht etwa Schaden erlitten hatte; der Bootsmann trat vor und stellte fest, daß ein Teil des Topps fehlte, aber nicht so viel, daß das Bugspriet in Gefahr war, und so setzten wir unsere Marssegel von neuem, holten die Fockschot wieder an, braßten die Rahen und hielten Kurs wie zuvor. Ich kann auch nicht leugnen, daß es uns allen ähnlich erging wie dem Fahrzeug: Nachdem unsere erste Betäubung vorbei war und wir sahen, daß das Schiff weiterlief, waren wir schon bald wieder die gleiche gottlose, hartgesottene Bande wie zuvor, und ich gehörte ebenso dazu wie die anderen.
Bei unserem jetzigen Kurs hielten wir auf Nordnordost und gelangten so mit günstigem Wind durch die Meerenge oder Straße zwischen der Insel Gilolo und dem Land Neuguinea, und bald befanden wir uns im offenen Meer oder Ozean südöstlich der Philippinen, dem großen Pazifik oder der Südsee, dort, wo man sagen kann, daß er sich mit dem weiten Indischen Ozean vereinigt.
Als wir in diese Meere einliefen und genau nach Norden steuerten, fuhren wir bald über den Äquator auf die Nordhälfte der Erde und segelten weiter nach Mindanao und nach Manila, der Hauptinsel der Philippinen, ohne auf irgendeine Beute zu treffen, bis wir nördlich von Manila waren; und nun begann unser Geschäft, denn hier nahmen wir drei japanische Schiffe, wenngleich in einiger Entfernung von Manila. Zwei davon hatten bereits ihren Handel abgeschlossen und befanden sich auf der Heimfahrt mit einer Ladung von Muskatnüssen, Zimt, Nelken und so fort, neben allen möglichen europäischen Waren, welche die spanischen Schiffe aus Acapulco gebracht hatten. Zusammen hatten sie achtunddreißig Tonnen Nelken und fünf oder sechs Tonnen Muskatnüsse sowie ebensoviel Zimt an Bord. Wir nahmen die Gewürze, kümmerten uns aber 250
nur wenig um die europäischen Waren, denn wir dachten, sie lohnten sich für uns nicht; bald darauf aber tat uns das sehr leid, und wir lernten daraus für die nächste Gelegenheit.
Das dritte japanische Schiff bedeutete für uns die beste Prise, denn es hatte Geld und eine große Menge ungemünztes Gold an Bord, um Waren wie die oben genannten einzukaufen. Wir erleichterten es um sein Gold und fügten ihm keinen weiteren Schaden zu. Da wir nicht beabsichtigten, uns hier lange aufzuhalten, nahmen wir nun Kurs auf China.
Wir verbrachten bei dieser Fahrt über zwei Monate auf See und kreuzten gegen den Wind, der gleichbleibend aus Nordosten wehte, mit einer Abweichung von einem oder zwei Kompaßstrichen in die eine oder die andere Richtung, und dies verhalf uns auf unserer Fahrt zu um so mehr Prisen. Wir hatten eben die Philippinen hinter uns gelassen und beabsichtigten, die Insel Formosa anzulaufen, aber der Wind wehte so frisch aus Nordnordost, daß sich dies nicht machen ließ und wir Kurs zurück auf Laonia halten mußten, der nördlichsten jener Inseln.
Wir lagen hier völlig sicher und wechselten unseren Ankerplatz nicht um irgendeiner Gefahr willen, denn es gab dort keine, sondern um uns besser mit Vorräten versorgen zu können, die uns, wie wir feststellten, die Einwohner bereitwillig lieferten.
Während wir uns dort aufhielten, lagen drei sehr große Galeonen oder spanische Schiffe aus der Südsee im Hafen. Ob sie nun erst angekommen oder schon seeklar waren, vermochten wir zunächst nicht festzustellen; da wir aber sahen, daß die chinesischen
Weitere Kostenlose Bücher