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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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war, wie er uns erfreute. Es war das Wrack eines europäischen Schiffs, das auf den Felsen gestrandet war, die an dieser Stelle weit ins Meer hinausragten.
    Wir sahen bei Ebbe deutlich, daß ein großes Stück des Fahrzeugs trocken lag; sogar bei Flut war es nicht gänzlich vom Wasser bedeckt, und es lag höchstens eine Meile weit vom Ufer entfernt. Der Leser mag sich leicht vorstellen, daß uns unsere Neugier veranlaßte, da auch Wind und Wetter es erlaubten, sogleich zu ihm zu fahren, und wir gelangten ohne Schwierigkeiten dorthin. Wir sahen bald, daß es ein in Holland gebautes Schiff war, das sich noch nicht lange in diesem 54
    Zustand befinden konnte, denn ein guter Teil der oberen Ausrüstung des Hecks war noch fest, und auch der Kreuzmast stand noch. Das Heck schien zwischen zwei Felskanten festgerammt zu sein und war ganz geblieben, während der gesamte Vorderteil des Schiffs zertrümmert war.
    Wir konnten in dem Wrack nichts entdecken, was sich für uns zu bergen gelohnt hätte; wir beschlossen jedoch, zu landen und eine Weile dort in der Nähe zu bleiben, um festzustellen, ob wir wohl etwas über seine Geschichte erfahren konnten; wir hofften auch, daß wir vielleicht Näheres über die Mannschaft hörten und unter Umständen dort an Land einige Leute fänden, die in der gleichen Lage waren wie wir, so daß sich unsere Gesellschaft womöglich vergrößerte.
    Ein erfreulicher Anblick bot sich uns, als wir gelandet waren und alle Anzeichen und Spuren einer Schiffswerft vor uns sahen, wie einen Stapelblock und Stapelschlitten, Gerüste, Planken und Stücke von Brettern – Überbleibsel vom Bau eines Schiffs oder Boots und, mit einem Wort, viele Dinge, die uns geradezu einluden, uns an die gleiche Arbeit zu begeben.
    Wir begriffen rasch, daß die Mannschaft, die zu dem gesche iterten Schiff gehört hatte, sich, vielleicht im Boot, an Land gerettet, eine Barke oder Schaluppe gebaut und sich wieder aufs Meer hinaus begeben hatte. Als wir die Eingeborenen befragten, in welche Richtung sie ausgelaufen war, zeigten sie nach Süden und Südwesten, woraus wir leicht entnehmen konnten, daß sie Kurs auf das Kap der Guten Hoffnung genommen hatte.
    Niemand wird sich vorstellen, wir seien so dumm gewesen, daß wir nicht daraus geschlußfolgert hätten, auch wir könnten die gleiche Methode anwenden, um von hier zu entkommen, und so beschlossen wir als erstes, daß wir versuchen wollten, uns irgendein Boot zu bauen und damit aufs Meer hinauszufa hren, dorthin, wohin unser Schicksal uns führte.

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    Zu diesem Zweck veranlaßten wir die beiden Schiffszimmer-leute, sich zunächst einmal umzusehen, welche Materialien, die wir gebrauchen könnten, die Holländer hinterlassen hatten, und sie entdeckten besonders einen Gegenstand, der uns sehr nützlich war und mit dem ich mich viel zu beschäftigen hatte, nämlich einen Pechkessel mit ein wenig Pech darin.
    Als wir uns näher mit der Arbeit befaßten, fanden wir sie sehr mühsam und schwierig, da wir nur wenig Werkzeug und weder Eisenteile noch Taue, noch Segel zur Verfügung hatten, so daß wir, kurz gesagt, bei allem, was wir bauten, gezwungen waren, unsere eigenen Schmiede, Seiler und Segelmacher zu sein und tatsächlich zwanzig Berufe auszuüben, von denen wir wenig oder nichts verstanden. Die Not machte uns jedoch erfinderisch, und wir stellten viele Dinge her, deren Fertigung wir zuvor für undurchführbar gehalten hatten, das heißt in unserer Lage.
    Nachdem die beiden Zimmerleute sich für die Größe des Fahrzeugs, das sie bauen wollten, entschieden hatten, beauf-tragten sie uns sämtlich, mit unseren Booten hinüberzufahren, das Wrack des alten Schiffs zu zerlegen und alles, was wir nur konnten, von da fortzubringen, besonders, wenn möglich, den Kreuzmast, der noch stand. Wir führten es unter großen Schwierigkeiten aus, und vierzehn von unseren Leuten hatten über zwanzig Tage damit zu tun.
    Wir holten von dort auch eine große Menge Eisenteile, wie Bolzen, Spicker, Nägel und dergleichen, aus denen uns unser Künstler, von dem ich schon sprach und der jetzt zu einem sehr geschickten Schmied geworden war, Nägel und Scharniere für das Steuer sowie Spieker machte, wie wir sie brauchten.
    Wir mußten jedoch einen Anker haben, und hätten wir ihn, dann wären wir nicht in der Lage gewesen, eine Trosse herzustellen; so beschränkten wir uns darauf, mit Hilfe der Eingeborenen aus dem Zeug, aus dem sie ihre Matten flochten, Taue zu drehen, und aus diesen stellten wir

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