Kapitän Singleton
ein Kabel oder 56
Schlepptau her, das stark genug war, um unser Fahrzeug am Ufer festzumachen, womit wir uns für den Augenblick begnügten.
Um es zusammenzufassen: Wir blieben dort vier Monate und arbeiteten sehr schwer; am Ende dieser Zeit ließen wir unsere Fregatte vom Stapel; sie wies, um es mit wenigen Worten zu sagen, viele Fehler auf, war aber, alles in allem, so gelungen, wie man nur erwarten konnte.
Kurz, es war eine Art Schaluppe mit einer Wasserverdrängung von etwa achtzehn bis zwanzig Tonnen, und hätten wir Mäste und Segel, stehendes und laufendes Gut gehabt, wie es in solchen Fällen üblich ist, sowie andere Hilfsmittel, dann hätte uns das Schiff tragen können, wohin wir nur immer segeln wollten. Von allen Materialien, die uns fehlten, war am schlimmsten, daß wir weder Teer noch Pech hatten, um die Fugen zu verpechen und den Boden dicht zu machen, und obwohl wir taten, was wir konnten, um aus Öl und Wachs eine Mischung herzustellen, die wir dazu benutzen konnten, gelang es uns doch nicht, sie für unseren Zweck völlig geeignet zu machen, und als wir das Schiff zu Wasser ließen, war es so leck und nahm so rasch Feuchtigkeit auf, daß wir glaubten, unsere ganze Arbeit sei umsonst gewesen, denn wir hatten große Mühe, es zum Schwimmen zu bringen, und was eine Pumpe betraf, so hatten wir weder eine noch die Mittel, sie herzustellen.
Schließlich aber zeigte uns einer der Eingeborenen, ein schwarzer Neger, einen Baum, dessen Holz, ins Feuer gelegt, eine Flüssigkeit ausscheidet, die so klebrig und fast so stark ist wie Teer und aus der wir durch Kochen etwas herstellten, was uns als Pech diente und seinen Zweck wirksam erfüllte, denn wir dichteten unser Schiff gänzlich ab, so daß wir überhaupt kein Pech und keinen Teer brauchten. Dieses Geheimnis hat mir am selben Ort später bei vielen Anlässen genützt.
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Nachdem unser Fahrzeug soweit beendet war, machten wir ihm aus dem Kreuzmast des Wracks einen sehr guten Mast und rüsteten ihn, so gut wir konnten, mit unseren Segeln aus; danach stellten wir ein Ruder und eine Ruderpinne her, kurz, alles, was wir in unserer gegenwärtigen Zwangslage benötigten, und nachdem wir das Schiff mit Lebensmitteln versehen und so viel Trinkwasser an Bord gebracht hatten, wie wir unserer Meinung nach brauchten oder wie wir unterbringen konnten (denn wir hatten noch immer keine Fässer), stachen wir bei günstigem Wind in See.
Wir hatten bei unserem Herumstreifen und mit dieser Arbeit fast noch ein Jahr verbracht, denn jetzt war nach unserem Kalender, wie unsere Leute sagten, etwa Anfang Februar, und die Sonne entfernte sich zusehends von uns, sehr zu unserer Zufriedenheit, da die Hitze außerordentlich groß war. Der Wind stand, wie gesagt, günstig, denn wie ich inzwischen erfahren habe, weht er gewöhnlich von Osten, während die Sonne sich dem Norden zubewegt.
Wir diskutierten darüber, welchen Weg wir wählen sollten, und kaum jemals waren Männer so unentschlossen gewesen, wie wir es waren; einige sprachen sich dafür aus, daß wir nach Osten segeln und geradenwegs auf die Küste von Malabar zuhalten sollten, andere aber, die ernsthafter die Länge dieser Fahrt bedachten, schüttelten den Kopf über diesen Vorschlag, denn sie wußten sehr wohl, daß weder unsere Vorräte, besonders das Wasser, noch das Fahrzeug einer solchen Reise von fast zweitausend Meilen ohne irgendwelches Land, das wir unterwegs anlaufen konnten, gewachsen waren.
Diese Leute hatten auch schon die ganze Zeit über Lust gehabt, zum afrikanischen Festland zu segeln, denn dort hätten wir, wie sie sagten, eine recht gute Chance, am Leben zu bleiben, und konnten gewiß sein, Reichtümer zu erwerben, wohin wir uns auch wandten, wenn es uns nur gelänge, zur 58
anderen Seite hinüberzukommen, ob nun über das Meer oder über Land.
Außerdem hatten wir, wie die Dinge für uns lagen, keine große Auswahl, was unseren Weg betraf; denn wenn wir uns für den Osten entschieden hätten, dann wäre die Jahreszeit die falsche, und wir hätten bis April oder Mai dort bleiben müssen, bevor wir in See stechen konnten. Da der Wind von Südost und Ostsüdost kam und das Wetter schön und vielversprechend war, entschieden wir uns schließlich alle für den anderen Vorschlag und wählten die afrikanische Küste zu unserem Ziel, und wir stritten auch nicht lange darüber, ob wir entlang der Küste segeln sollten, denn für die Fahrt, die wir beabsichtigten, befanden wir uns jetzt auf der falschen
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