Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
Vom Netzwerk:
kam aus Deutschland. Vor ein paar Jahren hatte man ihn von Euro Paribas abgeworben. Alle Firmen haben einen gewissen Stil, was das persönliche Auftreten anbetrifft. Pinker Lloyds Stil war ruhig und gelassen, und niemand verkörperte das so perfekt wie der deutsche Vorstandsvorsitzende. Er sah unglaublich fit und gesund aus für einen Mann, der zwölf bis vierzehn Stunden am Tag arbeitete, auch wenn er, wenn man dicht vor ihm stand, älter wirkte als von Weitem. Lothar war ein fanatischer Anhänger aller Outdoor-Sportarten, er verbrachte seine Wochenenden mit Wanderungen in den Bergen oder fuhr auf Skiern an ihnen herab, oder er hängte sich im Trapez über die Bordwand einer Jacht. Sein Gesicht war oft von der Sonne oder vom Wind ganz rot, und seine Augen hatten vom ständigen Zusammenkneifen lauter kleine Fältchen. Lothar und Mark wirkten, wenn sie nebeneinander standen, wie eine Farbpalette für Männergesichter: Hier haben wir, was passiert, wenn man einen Orientierungslauf durch die Black Mountains macht, und hier können Sie sehen, was dabei herauskommt, wenn man nie freiwillig von seinem Computerbildschirm aufschaut.
    Normalerweise war Lothar bei solchen Besprechungen nicht dabei. Dass er einfach mal bei seinen Leuten vorbeischaute, war eine neue Angewohnheit von ihm. Er hatte irgendein Buch über »dekonstruierte« Managementmethoden gelesen, aber da niemand weniger dekonstruiert war als Lothar, hatte er einen genauen Plan. Der sah so aus, dass er eine halbe Stunde pro Woche damit verbrachte, nach einem angeblichen Zufallsprinzip durchdas Gebäude zu laufen, sich mit Leuten zu unterhalten und an Besprechungen teilzunehmen. So kam es auch, dass er nun »ganz zufällig« bei Rogers täglicher Besprechung mit seinem Stellvertreter anwesend war.
    Man hätte meinen können, es würde Roger nervös machen, in Gegenwart Lothars über Software-Probleme zu sprechen. Wie jeder in der Finanzwelt wusste, war alles, was mit neuer Software zu tun hat, garantiert ein absoluter Albtraum. Aber Mark trat nie mit einem Problem an Roger heran, für das er nicht entweder bereits eine Lösung oder wenigstens den Ansatz einer Lösung hatte. Seine Abteilung arbeitete mit der IT-Abteilung und einem externen Unternehmen zusammen, um ein neues, maßgeschneidertes Computerprogramm zu erstellen, das die Datenanzeige auf den Bildschirmen der Händler optimieren sollte. Im Idealfall würde ein solches Programm ein Maximum an Informationen mit einem Minimum an Datengewirr kombinieren und die größtmögliche Anpassung an die persönlichen Bedürfnisse der einzelnen Händler erlauben (denn jeder von ihnen hatte seine eigene Vorstellung davon, wie sein Bildschirm auszusehen hatte). Darüber hinaus sollte das Ganze auch noch so schnell wie möglich erfassbar sein. Roger war nicht allzu sehr an dieser Sache interessiert, aber das Gleiche konnte man eigentlich über den größten Teil seiner Arbeit sagen. Er war jedoch immer bereit dazu, in seiner umgänglichen, ausgeglichenen Art irgendeine Meinung zu vertreten. Das schien aber in diesem Fall nicht nötig zu sein. Marks Tonfall implizierte, dass er wusste, wie beschäftigt Roger war, dass es sich nicht um ein dringendes Problem handelte und es vollkommen in Ordnung wäre, wenn Roger es vorzog, auf eine neue, verbesserte Version der Software zu warten, bevor er sich dazu herabließ, einen Blick darauf zu werfen. Er ließ also deutlich durchscheinen, dass seine Frage eigentlich pro forma war. Aber sie durfte natürlich nicht zu pro forma wirken, denn dann hätte es so ausgesehen, als würde er auf Rogers Meinung nichts geben. Was selbstverständlich niemals, auf gar keinen Fall, den Tatsachen entsprach. All dies gehörtezu den Gründen, warum Mark ein perfekter Stellvertreter war, so perfekt, dass es Roger fast unheimlich wurde. Lothar machte keine Anstalten, die Akte in die Hand zu nehmen. Einen Moment lang dachte Roger, es wäre ein gutes Beispiel für das Vertrauen, das er in seinen Stellvertreter hatte – und daher ein Beweis für seine Versiertheit im Dekonstruierten Management –, wenn er keinen Blick auf die Unterlagen werfen würde. Aber dann folgte er plötzlich einer winzigen blitzartigen Regung seines Instinkts und tat das Gegenteil.
    »Schauen wir doch mal rein«, sagte Roger. Mark legte seinem Vorgesetzten ein paar Screenshots vor. Und tatsächlich, die Screenshots wirkten eine Spur chaotisch und überfüllt. Auf einem von ihnen waren acht verschiedene Diagramme zu sehen. Roger

Weitere Kostenlose Bücher