Kaputt in El Paso
will.«
»Hoffentlich trifft sie in Belize auf Gott«, sagte ich.
Jetzt entspannte er sich. »Sie ist völlig übergeschnappt«, sagte er. »Wenn sie hier ist, misst sie den Inhalt der Flaschen mit einem Lineal nach, dann zählt sie das Geld in der Kasse. Sie hat da so ’ne Formel, die den Inhalt der Flaschen mit dem der Kasse in Bezug setzen soll, und natürlich ist niemals das entsprechende Geld in der Kasse. Sie hält alle ihre Barkeeper für Diebe und ist überzeugt, dass wir Freunden, Bekannten und Zivilbullen Drinks ausgeben.«
»Und das Geschäft brummt.«
Er lachte. »Sie sind der erste Gast heute Nachmittag und wahrscheinlich auch der letzte.«
Ich gab ihm ein anständiges Trinkgeld, verabschiedete mich und ging hinüber zum Baron Arms.
Ich hatte die verwaltungstechnischen Aufgaben meines Jobs sträflich vernachlässigt. Sechs Mieter waren mit der Miete im Rückstand, also klebte ich Zettel an ihre Türen, womit ihnen die Kündigung angedroht wurde. Ihnen blieben jetzt drei Tage, entweder sie zahlten oder sie flogen raus. Das war der fiese Teil meiner Tätigkeit. Der eine oder andere säumige Zahler hatte das Geld für die Miete weder versoffen noch verspielt. Einige hatten ihren Job verloren, andere waren krank oder verrückt, wieder andere hatte man ausgeraubt; aber alle hatten sie die Arschkarte gezogen.
Böses widerfährt den Guten, den Bösen und den Gleichgültigen. Doch war ich nicht in der Position, um die Gesetze des Kapitalismus außer Kraft setzen zu können. Geld regiert, Mitleid krepiert.
Als Nächstes widmete ich mich eher klassischen Hausmeistertätigkeiten. Überall hatte sich Müll angesammelt. Draußen war es bewölkt und heiß. Die Ziegeleien auf der anderen Seite des Rio, deren Brennöfen mit alten Autoreifen befeuert wurden, errichteten schwarze Rauchsäulen unter der Kuppel unseres gemeinsamen Himmelszeltes. Die Kupferverhüttung diesseits der Grenze tauchte den verhangenen Himmel in Orange. Es war einer der Tage, die Befürchtungen nährten, Atmen sei ein gefährliches Unterfangen.
Die feuchte, schmutzgeschwängerte Luft erstarrte auf meiner Haut wie ein organischer Belag. Als ich den letzten 75-Liter-Müllsack zum Container schleppte, war mein Hemd steif wie ein Brett und in meinen Nebenhöhlen machten sich die vereinten Staubpartikel schmerzhaft bemerkbar.
Zurück in meinem Apartment, stellte ich die Klimaanlage auf 18 Grad ein, machte mir einen Joghurt-Fatburner-Shake und nahm mir ein Buch über Zahlentheorie vor. Doch ich konnte mich nicht konzentrieren, legte es wieder beiseite und schaltete den Fernseher an. Ich zog mir Jeopardy! rein, die Nachrichten, den Wetterbericht. Aus der Perspektive eines Satelliten, dessen Blick auf der Erde ruht wie sonst nur der Blick Gottes, konnte ich beobachten, wie sich Wolkenmassen von der Küste Baja Californias Richtung Norden schoben. Der Wind, der dieser Wetterfront vorausging, hatte mächtig Staub, sprich Sand aufgewirbelt, war also ein Sandsturm.
Ich rief Jillian an, hörte aber nur ihre unpersönliche Stimme auf dem Anrufbeantworter. Sehr zu meinem Erstaunen machte mich das richtig traurig. »Ruf mich zurück«, sagte ich und legte auf.
Das Wetter drückte auf mein Gemüt, genauso Anrufbeantworter und säumige Mieter. Ich fühlte mich umgeben von einem Wall aus unsichtbaren und dennoch unüberwindlichen Barrieren.
Aus Süden drang Donnergrollen herüber. Es hörte sich an, als läute jemand eine schwere Glocke aus Stein. Blitze zuckten über den orangefarbenen Himmel oberhalb der Muleros Mountains. Juárez im Belagerungszustand. Das Wetter wandelte auf den Pfaden der Geschichte.
Ich nahm die Munition aus der Mossberg, schob sie wieder rein.
Das Telefon klingelte. Vor dem zweiten Klingeln nahm ich ab. Es war nicht Jillian.
»Wie möchtest du sterben?«, fragte eine mir bekannte Stimme.
»Wer ist da?«
»Du weißt genau, wer dran ist, blöder Sack.«
»Forbes?«
»Jetzt pass mal schön auf: Was die Fotze betrifft, solltest du mal Witterung aufnehmen. Die Nymphomanin ist nämlich dauergeil, also wo ist das Problem, ihren Duft aufzuspüren? Gerade eben hatte ich noch so einen Restduft in der Nase, angenehm süßsauer, wie wenn man Fisch in Essig und Honig mariniert.«
»Du Scheißkerl.«
»Weih mich ein – wie macht sie’s am liebsten? Ich frag nur so aus Neugier, von Mann zu Mann. Ich meine, nichts für ungut, aber wir Buschpiloten sollten zusammenhalten, nicht wahr? Sollten Erfahrungen austauschen. Ich gehöre zu
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