Kaputt in El Paso
erledigt wie in den Fünfzigerjahren, also nicht durch Maschinen, sondern von Männern mit Hochdruckreinigern, Schwämmen und Lederlappen. Das Café bietet die besten huevos rancheros der Welt an. Selbst Julia Child war anlässlich ihres einzigen Besuches in El Paso voll des Lobes. Und während man isst, kann man sich für zehn Dollar den Wagen außen und innen reinigen lassen. Normalerweise mache ich um fettes, kalorienreiches mexikanisches Essen einen großen Bogen, aber diese huevos rancheros sind leicht wie Luft. Die papierdünnen Tortillas zergehen auf der Zunge. Dem Gericht fehlen die typische Lava aus geschmolzenem Cheddarkäse und die in Fett gebratenen Bohnen. Die Kartoffelecken werden in leichtem Öl frittiert und die Salsa ist eine genießbare Variante von Napalm. Ab und an esse ich hier, wenn ich der Ansicht bin, etwas Gutes verdient zu haben, oder wenn ich mal wieder richtig ins Schwitzen kommen muss. Der Nachmittag bei Sam und Maggie hatte die Voraussetzungen für beides geschaffen.
Anschließend sah ich im DMZ vorbei, hoffte, Güero anzutreffen, und wollte seine Meinung zu Sams Wahnvorstellungen und Jesajas Haltung, den Dingen ihren Lauf zu lassen, einholen, doch er war nicht da und auch sonst kaum jemand. Dennoch bestellte ich eine Margarita – ein weiteres redlich verdientes Vergnügen – und fuhr dann hinüber zum Baron Arms.
Jillian Rensellers Mercedes stand auf dem Parkplatz. Ich parkte daneben und stieg aus. Die beiden Vordertüren des Mercedes öffneten sich. Jillian kletterte auf der Beifahrerseite heraus, eine halslose Masse Muskeln in einem zerknitterten Walmart-Anzug zwängte sich hinter dem Lenkrad hervor.
Jillian trug schwarze Leggings, Sandaletten mit zehn Zentimeter hohen Absätzen und einen Cardigan aus rotem Kaschmir, der, zur Hälfte aufgeknöpft, viel von ihrem Dekolleté zeigte. »Sie sind spät dran«, begrüßte sie mich. »Gehen wir gleich hoch in Ihr Apartment. Wir haben einiges zu regeln.« Ihre Aufmachung war heiß, sie selbst gab sich geschäftsmäßig.
Ihr Fahrer war an die zwei Meter groß und hatte die Ausmaße eines Kühlschranks. Sein langer, rechteckiger Schädel war übersät mit Warzen. Sollte der Kerl Kumpel haben, nannten die ihn hinter vorgehaltener Hand mit Sicherheit Kartoffelkopf. Er lehnte an der Motorhaube des Mercedes und spannte derart die Muskeln an, dass sich sein billiger Anzug wie ein Heißluftballon aufblähte. Er sah in mir wohl einen gleich gesinnten Muskelprotz und wollte mich beeindrucken. Ich war alles andere als beeindruckt. Er hatten von allem zu viel – zu viel Bauch, ein Zuviel an tierischem Fett auf dem Ernährungsplan, ein Zuviel an Dummheit in den Augen. Und dann die Frisur, frisch aus dem Salon: oben Bürste, die Seiten lang und mit Gel zurückgekämmt, keine Koteletten. Am Hinterkopf dann kam es richtig dick: ein Keil. Weißblond gefärbt und steif von Haarspray, hingen die Haare über seinem Kragen wie eine geschlossene Heckklappe. Sein Friseur hatte Humor. Jillian machte uns nicht miteinander bekannt, also musste er irgendein Handlanger sein.
»Welche Rolle spielt der?«, fragte ich.
Mr. Kartoffelkopf unternahm den Versuch, mir mit seinen ausdruckslosen, eng beieinander stehenden Augen Löcher in den Schädel zu brennen. Er war größer als ich und hatte mehr Gewicht, aber er war in miserabler Form. Ich konnte buchstäblich sehen, wie die Fettränder unzähliger Steaks seine Hauptschlagader verklebten. Sein Atem ging schwer, als bereite sich der Typ auf eine körperliche Anstrengung vor. Ich sah auf seine Hände. Sie wirkten gewaltig, doch eher durch die walnussgroßen Knöchel, die aussahen, als wären sie mehrmals gebrochen worden.
»Forbes ist mein Fahrer«, erwiderte Jillian. »Ich fahr ungern allein in diesen Teil der Stadt, vor allem am Wochenende. Der Mercedes ist zu auffällig.«
Forbes? Ein angeheuerter Gehilfe mit dem Namen eines der fünfhundert reichsten Männer. Ich nickte Forbes zu. Er erwiderte das Nicken nicht, statt dessen verhärtete sich seine Kiefermuskulatur.
Wir fuhren mit dem Fahrstuhl nach oben. Ich schloss die Tür auf und bat Jillian herein.
Sie sah sich in meinen vier Wänden um, sah den kleinen Herd, den kleinen Kühlschrank, den großen Fernseher, der die Kommode, auf der er steht, winzig aussehen lässt. Sie betrachtete die Motel-Kunst an der Wand hinter dem Bett: Möwen über mit Schaumkronen besetzten grünen Brechern, zirka 1950. Ein gutes Jahr für VulgärImpressionismus. Niemandem war es
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