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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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pulsierende Cervix. Jillian schrie auf, der Schrei wurde zu einem Keuchen, und als wir schließlich auf den Bodenfliesen zusammenbrachen, war das Wasser bereits kalt und unsere Knie bluteten.
    »Du bist brutal«, sagte sie.
    »Tut mit leid. Das war nicht meine Absicht.«
    »Nein … ich meine, ich hab mich ja drauf eingelassen. Du hast mich überrascht.«
    »Ich bin selbst überrascht von mir«, sagte ich und dachte an ihr Keuchen, das stoßweise gekommen war, und wie es meine erstickten Laute überdeckt hatte. Ich hatte so lange darauf verzichten müssen.
    »Du bist ein leidenschaftlicher Mann, Walkinghorse«, sagte sie.
    Ich zuckte mit den Achseln. Man wird von anderen charakterisiert. Wenn es Zeit ist, in die Grube zu fahren, ist man ein Bündel angesammelter Urteile. Die nackte Wahrheit wird mit einem begraben.
    Ich machte uns einen Kaffee und wir setzten uns an den kleinen Tisch, der vor dem einzigen Fenster des Apartments stand. Ich konnte Mr. Kartoffelkopf auf dem Parkplatz sehen, sah, wie er vor dem Mercedes auf- und abging. Die Nacht war frisch und er blies sich in die Hände, starrte immer wieder hoch zu meinem Fenster und dachte sicher, wie gern er jetzt hier oben wäre, um meinen Kopf gegen den Boden zu schlagen.
    Ich winkte ihm zu. Es war ein freundliches Winken. Ich fühlte mich ausgeglichen, nahezu sanftmütig, jetzt, da ich das einzig wirksame Gegenmittel für eine TestosteronVergiftung verabreicht bekommen hatte.
    »Dann reichst du also die Schecks ein, Liebling?«, fragte Jillian.
    Dieses ›Liebling‹ klopfte mich weich, dieses Echo vertrauter Zuneigung. »Ich versteh zwar nicht, warum das so wichtig für dich ist«, sagte ich, »aber ja, okay, ich werde sie einreichen.« Zu diesem Zeitpunkt hätte ich einen ganzen Koffer voller Geld von ihr akzeptiert.
    Ich fühlte mich gekauft.
    Doch in meiner momentanen Verfassung war es alles in allem kein unangenehmes Gefühl.
    Sie nahm meine Hand und sagte: »Wunderbar«, und ihre Augen waren voller wunderbarer Versprechen, von denen ich hoffte, dass sie sie auch einhielte.

Zwölf
    Moses wohnt im Regency, einem halb leerstehenden, heruntergekommenen Apartmentkomplex. Der millio-nenschwere Eigentümer dieses Elendsquartiers lebt unter seinesgleichen in einem Ort nahe der roten Felsen bei Sedona, Arizona. Das Regency befindet sich am Nordufer des Rio Grande, im ältesten Bezirk der Stadt, der wegen seiner drogenabhängigen Einwohner oft als Junktown bezeichnet wird. Das Regency hatte durchaus bessere Tage gesehen. Gebaut im Stil Edward VII., war es vor Urzeiten der herrschaftliche Wohnsitz einer Familie gewesen, bis es um 1940 in Wohnungen für Angehörige der Arbeiterklasse umgewandelt wurde. In den Sechzigerjahren begann der Prozess des Verfalls, der zu dem jetzigen, nicht mehr sanierungsfähigen Zustand führte. Inzwischen hatte die Bienenwabenstruktur von zwanzig Einzimmerapartments das alte Gefüge abgelöst. Die Mieter der wenigen noch bewohnten Apartments gehören der gesellschaftlichen Randgruppe kaum noch Leistungsfähiger an: Junkies, Crackheads, Schnüffler, die Zombies unter den Bürgern unserer anständigen Stadt. Nach und nach wurden die leerstehenden Apartments ihrer gesamten Ausstattung beraubt – Türen zum Beispiel gibt es nur noch in bewohnten Apartments —, Graffiti überziehen die kahlen Wände, die an manchen Stellen eher einer Kraterlandschaft ähneln, Spuren gelegentlicher Tobsuchtsanfälle der Zombies auf Entzug. Schon vor Jahren hatte es Auflagen wegen dieses Zustandes gegeben, doch mit seiner vagen Zusage, das Gebäude als historische Sehenswürdigkeit wieder instandzusetzen, hatte der Eigentümer den Stadtvätern einen unbefristeten Aufschub abtrotzen können.
    Ich klopfte einmal an Moses’ Tür, dann klopfte ich weiter.
    Nach ein paar Minuten sagte eine bizarr klingende, mir wohlbekannte Stimme: »Verpiss dich! Vete a la chingada!«
    »Mose? Ich bin’s, Uri.«
    Es tat sich nichts, während er darüber sann, weshalb ich vor seiner Tür stand.
    Ich hörte, wie Riegel zurückgeschoben wurden, dann das Klappern einer Kette, schließlich ging die Tür mit einem Knarren auf. Moses stand in Unterhosen vor mir. Seine blassen Arme und Beine waren dünn wie Dübel. Das schulterlange, an einigen Stellen von der Sonne gelblich gesträhnte, graue Haar war so speckig, dass es von allein stand. In der Hand hielt er einen abgesägten Baseballschläger, einen Louisville Slugger, ungefähr einen halben Meter helle Esche, den Griff mit

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