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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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nicht klar damit, dass du mich auf diese Weise hängen lässt.«
    Die Welt der Junkies ist einfach. Die Nadel und ich. Alles andere ist Einmischung oder Hilfe. Er sah hoch zu mir und in seinen Augen stand die Bitte um Hilfe. »Bring sie in ein leeres Apartment, Uri«, sagte er völlig ruhig. »Kannst du das für mich machen? Zurzeit bin ich zum Pinkeln zu schwach, irgendwie außer Form.«
    Tote zu transportieren schien meine neue Lebensaufgabe zu werden. Ich musste unwillkürlich grinsen. »Okay, Mose.«
    »Die Cops kümmern sich einen Scheiß um tote Junkies. Keiner wird hier auftauchen, Türen eintreten und Fragen stellen.«
    »Ich habe okay gesagt. Ich bring sie weg.«
    Ich hob sie vom Bett hoch. Sie konnte nicht mehr als fünfundvierzig Kilo wiegen. Aus der Nähe betrachtet, sah sie alles andere als mädchenhaft aus, eher wie eine verwitterte Vierzigjährige. Wenn nicht sogar älter. Das lange, seidige schwarze Haar trog. Die trockene Haut um Augen und Mund war schrundig, die Lippen waren zudem voller Bläschen. Sie erinnerte mich an eine Mumie – Pergamenthaut und Staub. Ich brachte sie in ein Apartment am Ende des Flurs und legte sie vorsichtig hin. Tote verdienen Respekt, gleichgültig, wie sinnlos ihr Leben verlaufen ist.
    Das leere Apartment war einst eines der besten im Regency gewesen. Von einem Erkerfenster aus hatte man einen wunderbaren Blick auf Juárez am anderen Ufer des Rio Grande. 1911 hätte ein Bewohner von hier aus Pancho Villas Geschütze dabei beobachten können, wie sie die Regierungstruppen hinter ihren Barrikaden unter Beschuss nahmen. Während der Revolution wurden diese alten, nach Süden zeigenden Gebäude durch verirrte Geschosse in Mitleidenschaft gezogen – das Kriegstreiben von der neutralen Grenzseite aus zu verfolgen war also nicht ganz ohne Risiko gewesen, was das Spektakel umso aufregender gemacht hatte.
    Ich ging zurück in Moses’ Apartment. Er hockte am Tisch und bearbeitete sein Laptop, als wäre nichts passiert.
    »Ich brauch unbedingt ’ne neue Partnerin«, sagte er. Sein Verlust war ein rein praktischer, kein emotionaler. »Allein krieg ich nicht genügend Schotter zusammen. Maria Guadalupe war richtig gut. Eigentlich hieß sie ja Rusty Odegaard, ein Mädchen vom Lande, aus Idaho. Ihre Leute haben ihr die Zustimmung für eine Abtreibung verweigert, also ist sie hierher gekommen, um eine machen zu lassen, weil man hier, was das betrifft, nicht hinterm Mond lebt. Anschließend ist sie an zwielichtige Typen geraten.« Er feixte ein wenig. »Ich hab sie überredet, sich die Haare schwarz zu färben, damit sie als Mexikanerin durchgeht.« Er beugte sich hinunter, wühlte unter dem Tisch in einem Stapel Pappen, kam wieder hoch und zeigte mir ein Schild:
    Meine Niños haben Hunger
    Können Sie uns helfen?
    Gott Ihnen möge einen
    Platz im Himmel geben
    »An den Abfahrten der Freeways hat sie zwei-, dreihundert am Tag gemacht«, sagte Moses. »Die von außerhalb denken, sie sind in der Dritten Welt und reichen schnell mal ’ne Hand voll Dollar rüber, um ihr Gewissen zu beruhigen.«
    Er zog noch eine Pappe aus dem Stapel. »Das ist meins.«
    Obdachloser Kriegsveteran
    Und Kriegsversehrter
    Sucht Arbeit gegen Essen
    Gott schütze Sie
    »Es ist inzwischen reichlich abgelutscht«, räumte er ein. »Da draußen müssen hunderte von Typen in meinem Alter unterwegs sein, die diese abgefuckte VeteranenNummer abziehen. Mal bin ich Vietnam, dann wieder Desert Storm. Einmal hab ich’s mit Panama versucht. Hängt davon ab, wie ich drauf bin. Manchmal bin ich mit einem Stock unterwegs, manchmal mit ’ner Krücke. Einmal hab ich mir ’nen Rollstuhl besorgt und mich wie ein Querschnittsgelähmter reingelegt. Hab unglaublich abkassiert, Mann.«
    Moses ist natürlich kein Veteran. Er ist nicht mal bei den Pfadfindern gewesen.
    »Ich krieg dich wieder clean, Mose. Und wenn du dabei draufgehen solltest.«
    »Spar dir die Mühe, Bruder. Ich liebe meine Art zu leben.«
    »Ich würde es nicht für dich tun, Arschloch, sondern für Maggie.«
    Er wandte den Blick vom Laptop ab und sah mich lange an. »Und du meinst, das hat einen Sinn?«, fragte er schließlich.
    »Ja, das meine ich.«
    Die Tür ging auf. Maria Guadalupe alias Rusty Odegaard taumelte in das Apartment. »Was für ’ne Scheißübung führst’n du hier durch?«, fragte das sichtlich angepisste Gespenst. »Willst du mich loswerden? Wer hat mich in diesen verdammten Verschlag gebracht?«
    Sie steuerte geradewegs die Spüle an, nahm

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