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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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ein Stück Schlauch vom Tresen, band sich damit den Oberarm ab, entzündete den Bunsenbrenner, tauchte einen Suppenlöffel in ein Heroinpäckchen, gab ein paar Tropfen Mineralwasser dazu, hielt den Löffel über die blaue Flamme, zog den flüssigen schwarzen Teer auf eine Spritze und injizierte sich den Dreck in die mittlere Ellbogenvene, besser gesagt, in das, was davon übrig war. Dieses Programm spulte sie in weniger als einer Minute ab, effizient wie eine Chefsekretärin. Rusty Odegaard, eine untote Landpomeranze aus Idaho war wiederauferstanden, um einen weiteren Tag in der Hölle zu verbringen. Nach dem Schock machte sich Betretenheit in mir breit und ich stieß ein »Allmächtiger« aus.
    Moses sah das ganz locker. »Entspann dich, Uri«, sagte er, »es ist nicht deine Schuld. Sie sieht fast immer aus wie der Tod auf Latschen. Außerdem verzeiht Maria Guadalupe alles, wenn sie gedrückt hat.«
    Gelassen, beinahe gesund aussehend, kam sie zu uns herüber und fragte: »Was gibt’s Neues auf der Homepage, Mose?«
    »Morgen um sechs müssen wir auf dem Parkplatz nördlich der Santa Fe Bridge sein. Ein Spaßvogel, der sich subcomandante Sam Houston nennt, will mit ’nem Viertel da sein. Mierda primera.«
    Moses klappte das Laptop zu und stand auf. »Zieh dich an, Rusty«, sagte er. »Wir müssen zur Arbeit. Meinst du, du schaffst heute die I-10 Ausfahrt an der Mesa Street? Ich nehm den Bus zur East Side und arbeite vor der Mall.«
    »Das kapier ich einfach nicht«, sagte ich.
    »Er kapiert’s nicht«, sagte Rusty Odegaard. Sie lächelte und dieses Lächeln brachte Leben in ihr Gesicht. Sah man mal ab von ihrer pusteligen, schorfigen Haut und gewissen Zeichen des Verfalls, war sie beinahe schön, diese Frau, die darüber lächelte, wie sie in den Schatten des Todes treten konnte und auch wieder hinaus.
    »Was kapierst du nicht, Bruder?«, fragte Moses.
    »Wenn du deine Kontakte übers Internet machst, haben die von der Drogenfahndung doch Zugriff darauf, oder? Die sind doch kompetent genug, um euren lächerlichen Code zu knacken.«
    »Oh Mann«, stöhnte Moses. »Er kapiert’s wirklich nicht.«
    Maria Guadalupe lächelte immer noch und sagte: »Ai chingao, que estúpido.«
    »Es ist ein Riesengeschäft, Uri«, erklärte Mose. »Blaue Anzüge an Mahagonitischen handeln Margen und Vertriebswege aus. Die Nummer eins – angeblich soll er nach einer Gesichtsoperation gestorben sein, na, wer’s glaubt – hat in einem Jahr mehr Gewinn erzielt als General Motors. Dem mexikanischen Präsidenten hat er erklärt: ›Halt mir den Rücken frei oder ich verschwinde aus Mexiko‹. Sein Argument: Die mexikanische Wirtschaft bricht ohne den Drogenhandel zusammen. Das kannst du im Time Magazine nachlesen. Wenn so viel Geld im Spiel ist, werden die Leute korrupt. Die Wachhunde auf beiden Seiten des Flusses kämpfen darum, auf die Lohnliste zu kommen. Die DEA braucht den Drogenschmuggel. Je mehr geschmuggelt wird, desto mehr Geld können sie für ihren Beamtenapparat einsacken. Beamtenapparate sind reiner Selbstzweck, welche idiotische Rechtfertigung auch immer für ihre Existenz herhalten muss. Hast du das nicht gewusst? Glaubst du im Ernst, nur Mexiko ist korrupt?«
    Ich zuckte mit den Achseln und ignorierte sein Lächeln, das Überlegenheit ausdrücken sollte. Ich hasste es, den Einfältigen zu spielen. Güero hätte mich wahrscheinlich ausgelacht.
    »Es geht nicht nur um Heroin, Koks und Marihuana, verstehst du. Die großen Pharmakonzerne schicken ganze Lastwagenladungen von Amphetaminen und Tranquilizern in kleine mexikanische Grenzstädte. Haben sie sich jemals gefragt, warum ein Einzelhändler mit vielleicht zwei- oder dreitausend Kunden zwanzig Millionen Amphetamin-Kapseln bestellt, die bei uns als illegale Drogen der Klasse 2 gelten? Scheiße, nein, haben sie nicht. Denn sie wissen, warum. Das Zeug kommt wieder nach Hause, auf unsere Straßen, zu entsprechenden Preisen. Meine Güte, Uri, vor hundert Jahren hat Bayer das Heroin erfunden. Was glaubst du wohl, warum das FBI kleine Hinterzimmer-Laboratorien aushebt? – weil die Pharmariesen keine Konkurrenz aus dem Amateurlager dulden. Kapierst du jetzt? Wach auf, Bruder. Es geht um Medikamente und die bringen einen Riesenprofit und Profit regiert die Welt. Freunde dich mit dem Gedanken an.«
    Die Rechtfertigung eines Süchtigen. Wenn die Welt derart verkommen ist, kann man sich nur noch zuballern. »Hört sich an, als würde Ralph Nader für die Verbraucherrechte von

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