Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
Vom Netzwerk:
Auffassung.«
    »Ja, aber die Auffassung packt dich nun mal bei den Eiern«, sagte ein anderer Trinker. Alle nickten trotzig oder murmelten wenig Schmeichelhaftes über die gesellschaftliche Ordnung, die für ihre Situation verantwortlich war.
    »Betrachtet es mal so: Die Vergangenheit, so sie denn Vergangenheit ist, ist in Stein gemeißelt. Die Zukunft, die aus der in Stein gemeißelten Vergangenheit heranwächst, wird wieder Vergangenheit, wird also auch in Stein gemeißelt werden. Der Zusammenhang ist ziemlich offensichtlich, oder? Was sollen Auffassungen da für eine Rolle spielen? Der Verlauf ist von jeher festgelegt.«
    »Vielleicht ist die Vergangenheit ein Sprungbrett in verschiedene Formen der Zukunft«, sagte ich. »Man lernt aus den Fehlern der Vergangenheit und korrigiert sie. Indem man sich mit den Meinungen anderer beschäftigt, bildet man sich doch seinen eigenen Standpunkt. Das scheint mir wesentlich einleuchtender zu sein.«
    Güero sah mich an und grinste. »Der große Gringo klopft mächtig auf den Busch«, sagte er. »Zwar kann er weder Frau noch Job festhalten, aber seine Eitelkeit nimmt dadurch keinen Schaden. Was machst du hier um diese Uhrzeit, ése?«
    »Wollte mir nur dein Gelaber anhören. Um nichts in der Welt möchte ich das verpassen.«
    »Wiederhol noch mal die Sache mit dem Sprungbrett«, sagte einer der Trinker und mühte sich, seine Stirn in Falten zu legen.
    »Es ist der Unterschied zwischen der kapitalistischen Philosophie der Gringos«, erklärte Güero, »und der älteren, wirklichkeitsnahen mexikanischen Art, die Welt zu verstehen. Setzt auf die mexikanische Denkweise, Freunde, und schon laufen die Dinge einfacher für euch.«
    Ich zog mir einen Stuhl heran. »Deshalb ist Mexiko auch in einem so hervorragenden Zustand«, sagte ich.
    »Sí, wir haben kein Disney World, kein Weltraumprogramm, keine ICBMs und wir haben keinen Frederick Winslow Taylor hervorgebracht. Dennoch sind wir ein fröhliches Volk. Im Amerika der Gringos ist von Frohsinn wenig zu spüren. Wir dagegen wissen, wie man feiert, wir wissen, wie man eine höllisch gute pachanga vom Stapel lässt. Wir stehen ganz oben auf der Liste Party Animals.«
    »Wer ist denn dieser Winslow?«, wollte einer am Tisch wissen. »Ist das der Serienkiller, der Babyschänder, der letzte Woche geschnappt wurde?«
    »Es ist der Gringo, der die Arbeits- und Zeitstudien erfunden hat«, sagte Güero. »Er war der erste Effizienzexperte, ein pendejo, der dich beim Arbeiten an der Maschine mit der Stoppuhr überwacht. Erwischt er dich dabei, wie du dir fünf Sekunden die Eier kratzt, notiert er es. Du müsstest mal pissen? – kannst du vergessen. Bevor du dich versiehst, wirst du durch Kriecher ersetzt, die nie schwitzen oder sich kratzen müssen und dann hängst du auf der Straße rum und trinkst mit all den anderen arbeitslosen Eierkratzern billigen Wein.«
    Einer der Säufer machte aus dem Eierkratzen eine sorgfältig ausgeführte Showeinlage. »Ich liebe mexikanische Frauen«, sagte er. Seine rotgeränderten Augen strahlten in einem Anflug von Nostalgie. »In Chihuahua City bin ich das erste Mal so richtig auf den Geschmack gekommen.«
    »Wahrscheinlich auch zum letzten Mal«, kommentierte ein anderer.
    Im Nu entbrannte in der Säuferrunde eine Diskussion über die Vorzüge mexikanischer Frauen gegenüber Frauen aus Amerika, also zogen Güero und ich uns an die Bar zurück, wo meine Margarita ohne Salz bereits auf mich wartete. Es war noch zu früh dafür, aber ich brauchte das jetzt.
    »Du hast irgendwas auf dem Herzen«, sagte Güero.
    Ich erzählte ihm von Forbes und Victor. Güero pfiff durch die Zähne. »Weißt du, für wen diese Typen arbeiten?«, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Sie haben nur von el jefe gesprochen.«
    »Der Boss. Könnte jeder sein. Wen hast du in letzter Zeit beleidigt?«
    »Außer dir niemanden.«
    Ich konnte ihm unmöglich von Jillian Renseller und ihrem toten Ehemann berichten. Selbst wenn, hätte das kein Licht ins Dunkel gebracht. Jillian hatte mir Forbes und Victor nicht auf den Hals gehetzt, dessen war ich mir sicher. Aber wer dann? Und warum war das Einreichen von Jillians Schecks denen so wichtig?
    »Geht es um Geld?«, fragte Güero, als könne er Gedanken lesen. »Hast du Schulden?«
    Ich unterhalte mich gern mit Güero. Es ist ideal, ihn bei einem Streit zur Seite zu haben, nur war diese ganze Geschichte leider mehr als ein simpler Streit. Ich wusste, Güero hatte mein Vertrauen verdient,

Weitere Kostenlose Bücher