Kaputt in El Paso
griff in Forbes’ Jackentasche und nahm ihm die Waffe ab – einen billigen Taschenrevolver Kaliber 32 –, öffnete die Trommel und schüttelte die Patronen heraus, dann warf ich die Waffe aufs Bett. Alles mit zitternden Händen.
»Scheiße, du hast mir das Brustbein gebrochen«, stieß Forbes flüsternd hervor.
»Hätte schlimmer kommen können«, erwiderte ich mit einer Stimme, zittrig wie meine Hände. Vielleicht hatte Güero Recht, was mich betraf. Ich hatte den Drang verspürt, Mr. Kartoffelkopfs Hirn auf dem Boden zu verteilen, und hätte es auch beinahe gemacht.
Victor war noch immer ohnmächtig. Es sah nach einer schweren Gehirnerschütterung aus. Ich streifte den Schlagring von seiner Hand und warf ihn in den Müll.
Dann kümmerte ich mich um Forbes und half ihm auf die Füße. »Kannst du fahren?«, fragte ich.
Er nickte, gab sich kleinlaut wie ein getretener Hund. Ich legte mir Victor über die Schulter, dann gingen wir hinunter zum Mercedes. Während ich Victor auf die Rückbank verfrachtete, zwängte sich Forbes hinter das Steuer, die Hand auf der Herzgegend, als wolle er den Treueschwur gegenüber der Fahne leisten. »Kannst schon mal deine Beerdigung vorbereiten, du Scheißkerl«, flüsterte er. »Du bist so gut wie erledigt.«
»Reg dich ab«, sagte ich. »Wenn du Victor ins Krankenhaus gebracht hast, erzähl deinem jefe, ihr hättet mich überzeugt. Ich werde die Schecks einlösen, am Montag. Ihr habt euren Job hervorragend erledigt. Wer auch immer dein Boss sein mag, sag ihm, ihr habt mir so richtig die Eier poliert. Zwar habt ihr dabei selbst ein paar chingazos hinnehmen müssen, doch am Ende habt ihr es geschafft, dass ich den Schwanz einziehe. Begreifst du, was ich sage, For-bäs? Du kannst auf meine Kosten eine gute Figur machen.«
Er starrte mich an, doch der Effekt verpuffte, so sehr war der Ausdruck in seinen Augen von akuten Schmerzen geprägt. Er ließ den Motor an und irgendwie gelang es ihm, den Wagen vom Parkplatz zu steuern.
Ich ging hoch in mein Apartment. Meine Hände zitterten immer noch – zu viel Adrenalin. Ich nahm die Thomas-Inch-Hanteln und machte so lange Bizeps-Curls, bis meine Arme brannten und meine Hände wieder ruhig waren.
Auf dem Anrufbeantworter waren zwei Nachrichten. Die erste war von Rosie Hildebrand. »Meine Terrine ist schon wieder dicht, du Spezialist. Das Wasser läuft über den Rand. Wie sollen wir das Ding benutzen, wenn das Wasser über den Rand läuft? Vielleicht ist dir ja nach ’ner fetten Klage. Ich hab einen Cousin zweiten Grades, der ist Anwalt, hier in der Stadt. Er heißt Eldon Gary Lofton. Schlag mal die Gelben Seiten auf und du wirst sehen, dass ich keine Witze mache.«
Ich stellte mir vor, wie ich Rosie in ihrer Toilettenschüssel ertränkte, ihren Kopf in die stinkende Brühe drückte, bis ihr Körper aufhörte zu zucken. Ich stellte mir Bill Hildebrand vor, wie er mich zum Dank zu einem Glas Vin Rose einlud.
Die zweite Nachricht war von Jillian. »Bleib heute nicht zu Hause. Es tut mir leid, Liebling, aber sie werden dir sonst was antun. Bitte, bitte, bitte reich die Schecks ein. Ich versuche, sie aufzuhalten.«
Vielen Danke auch, Schlampe, dachte ich.
Ich beruhigte mich wieder ein wenig. Zumindest hatte sie versucht, mich zu warnen.
Vielleicht dachte sie wirklich, meine Scheiße sei was Besonderes.
Vielleicht liebte sie mich.
Mit dieser Vorstellung konnte ich eine Weile leben.
Vierzehn
Ich betrat das DMZ und ließ einen lebhaften Wind auf der Mesa zurück, der Sandsturm-Potential hatte. Güero hielt gerade ein paar Säufern einen Vortrag, die mit hängenden Schultern um einen Tisch herum saßen. Er war der geborene Lehrer. Selbst der Verlust seines Jobs an der Universität konnte ihn nicht vom Dozieren abhalten. »Was den Menschen betrifft, ist Abhängigkeit ein natürlicher Zustand«, erklärte er. »Jeder ist von irgendetwas abhängig. Ihr habt den Alkohol gewählt, hombres, weil es euch nicht gelungen ist, ein Suchtverhalten anzunehmen, das von der Gesellschaft belohnt wird.«
Die Trinker nickten. Augenblicklich machte sich in ihren Köpfen dieser befreiende Gedanke breit. »Diese Scheißgesellschaft schmeißt einem immer Knüppel zwischen die Beine«, meinte einer der Trinker verbittert.
»Darauf kommt es letztlich gar nicht an«, fuhr Güero fort. »Es ist bedeutungslos. Wie Demokrit vor gut zweitausendfünfhundert Jahren sagte, existiert nichts, nur Atome und das Leere, alles andere ist eine Frage der
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