Karambolage
g… glaube, in ein paar Stunden fängt er zu stinken an. Hab ich eine F… Freude.«
»Wenn er etwas getrunken hat, sagt er immer Daddy zu mir«, bemerkte Seidl lakonisch. »Wo kommst du denn her, Eduard?«
»Na von wo denn! Vom ›Jimmy’s‹ am Schlingermarkt, dort hab ich noch ein p… paar Bier getrunken. Ich hatte solche Angst, im Dunkeln nach Hause zu gehen. Man sieht ja, was da p… passieren kann.«
Erst jetzt betrat Eduard Seidl das Wohnzimmer und gewahrte Leopold und den fremden Herrn mit dem auffälligen Hut. Er wirkte wirklich nicht mehr ganz nüchtern. Das fette, hinten zu einem Schwanz zusammengebundene Haar, die kleine, runde, altmodische Brille und die grauen, schlechten und bereits etwas lückenhaften Zähne deuteten darauf hin, dass er nicht viel auf sein Äußeres hielt. Er stierte ungläubig in die Runde. »Wer sind denn die Herren, Daddy?«, fragte er verduzt.
»Polizei«, sagte Seidl. »Den Herrn Leopold kennst du ja, glaube ich. Es ist wegen Fellner.«
»Denken die v… vielleicht, dass du etwas mit der Sache zu tun hast?«
»Wir sind nur gekommen, um Ihrem Vater ein paar Fragen zu stellen«, sagte Juricek. »Er hat von hier heroben alles beobachtet. Und Sie haben gerade eine kleine Lokaltour hinter sich?«
»So ähnlich, ja.«
»Ist Ihnen dabei nicht zufällig Fellner über den Weg gelaufen? Sodass Sie auf den Gedanken kamen, ihm alles heimzuzahlen, was er Ihnen und Ihrem Vater früher angetan hat? Heute, in der Dunkelheit, war die Gelegenheit doch besonders günstig. Ein kleiner Schubser, schon ist die Sache erledigt. Dann läuft man davon und feiert den Erfolg noch bei ein paar Gläsern. War es so?«
»W… Was erlauben S… Sie sich?«, empörte sich Eduard Seidl lautstark.
»Ich erlaube mir gar nichts«, bemerkte Juricek trocken. »Ich frage nur: War es so? Eine einfache Antwort genügt, ja oder nein.«
»Ich habe mit dem Tod von d… diesem Ekel überhaupt nichts zu tun, überhaupt nichts, hören Sie?«, brüllte Eduard. »Ich habe schon gesagt, dass ich ein p… paar Biere getrunken und das ›Jimmy’s‹ erst verlassen habe, als das Licht wieder anging und der Regen leichter wurde. D… Dafür gibt es Zeugen. Man wird sich doch noch ein b… bisschen freuen dürfen.«
Juricek zuckte mit den Achseln. »Schon gut«, sagte er. »Mehr will ich ja auch vorläufig nicht wissen. Ich schicke Ihnen nur noch jemanden herauf, der Ihre Aussage protokolliert. Wir melden uns allerdings sofort, wenn wir noch irgendwelche Fragen haben. Einstweilen also auf Wiedersehen, meine Herren.«
Juricek und Leopold traten hinaus in den dunklen, kleinen Vorraum. Dabei streifte Leopold an etwas Kaltes, Nasses: eine dunkle Regenjacke. Offenbar Eduard Seidls Regenjacke. Wie kommt es, dachte er kurz bei sich, dass die Jacke so nass ist, wo Eduard Seidl das Unwetter doch nach eigenen Angaben in einem Lokal am Schlingermarkt abgewartet hat?
Er deutete seinem Freund kurz, aber Juricek hatte schon die Türschnalle in der Hand und schien der Sache weiter keine größere Bedeutung zuzumessen.
»Na schön, dann eben nicht«, murmelte er kaum hörbar auf ihrem Weg zurück auf die Straße.
5
Korber lehnte noch immer an der Theke des ›Heller‹, ließ die Dinge um sich herum geschehen, schnappte Gesprächsfetzen auf, sah Beamte kommen und gehen und versuchte tunlichst, sich aus der Sache herauszuhalten. Bei einer Zigarette und einem Glas Wein – er hatte vergessen zu zählen, das wievielte es war – ließ er zusammen mit Herrn Heller das unglückliche Ende der Partie zwischen Fellner und Sykora Revue passieren. Es habe ja so kommen müssen, meinte Herr Heller verzweifelt, wenn zwei derartige Rivalen aufeinanderträfen, sei man in Wirklichkeit machtlos. Jede seiner Entscheidungen wäre angefochten worden, jede. Er habe sich absolut neutral verhalten und das Spiel regelkonform geleitet. Man stelle sich eine ähnliche Situation im Schachspiel vor. Da gebe es eine klare Richtlinie: berührt, geführt, egal, ob jemand vorher pfeift oder mit der Zunge schnalzt. Schon Bobby Fischer habe sich 1972 gegenüber Anatoli Karpow auf diese unfaire Art einen Vorteil verschafft. Aber wo finde man heute noch sportliches Verhalten? Wer sich darum bemühe, sei eben in der Mehrzahl der Fälle der Verlierer. Dass Fellners Tod jetzt eine Art höhere Gerechtigkeit darstelle, dagegen verwehre er sich freilich aufs Entschiedenste.
Mittlerweile kam es vor dem Kaffeehaus durch das plötzliche Auftauchen Sykoras zu einer
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