Karambolage
an und war immer in der Nähe des Tatortes. Aber bitte. Soll sich einmal der liebe Bollek damit befassen, dann sehen wir weiter. Interessant wäre natürlich zu wissen, wer von euren Gästen noch so eine Jacke dabeihatte.«
»Jeder konnte eine tragen«, lächelte Leopold verschmitzt. »Genau so eine Jacke ist nämlich bei uns vor dem Mord gestohlen worden. Der Manteltrick, verstehst du?«
*
»Sperrstunde«, rief Herr Heller und hielt zum Beweis, dass er seine Drohung wahr machen würde, wie ein Kerkermeister einen großen Schlüsselbund in der Hand. Außer ihm befanden sich ohnedies nur mehr Leopold und Korber im Lokal. Sie lungerten am ersten Fenstertisch herum, dort, wo Fellner noch mit seinen Freunden gefeiert hatte, und tranken Weißwein aus einer noch rasch von Korber spendierten Bouteille.
»So kommst du mir nicht davon«, sagte Leopold, seinen Chef geflissentlich überhörend, zu seinem Freund. »Dass du mich zu dieser Flasche einlädst, ist die eine Sache. Aber dass du ein ganz mieser Drückeberger bist, wenn du nicht tust, worum ich dich bitte, ist eine andere.«
»Warum schon wieder ich?«, lallte Korber müde.
»Wie oft soll ich dir das noch sagen, Thomas: Ich muss arbeiten, ich habe keine Zeit. Außerdem würden sich einige im Klub ›Alt-Floridsdorf‹ wundern, wenn ich dort auf einmal auftauchen würde und Mitglied werden wollte, wo ich doch immer über den Klub gelästert und die Billardkultur in unserem Kaffeehaus verteidigt habe. Nein, nein, das musst schon du machen. Und es ist wichtig, dort haben wir alle ehemaligen Spezi vom Fellner auf einem Fleck. Du sagst, du hättest durch das Turnier wieder einen richtigen Gusto aufs Billardspielen bekommen und möchtest ein paar Nachhilfestunden nehmen. Das kostet sicher nicht viel. Du schaust dich ein wenig um, und wenn wir den Mörder haben, kannst du jederzeit wieder aufhören.«
»Glaubst du, sie nehmen mich dort überhaupt? Das ist doch ein ganz kleiner Klub, bei dem sich sicherlich in den letzten Jahren niemand Neuer beworben hat. Soviel ich weiß, spielen sie keine Meisterschaft mehr, nur mehr unter sich.«
»Warum nicht?«, beschwichtigte Leopold und schenkte Korber nach, um seinen Freund bei Laune zu halten. »Ein bisschen Nachwuchs schadet dort nichts. Alle Jungen fahren doch jetzt hinaus ins ›Bisamberg Billards‹, weil sie glauben, dass sie dort Snooker lernen.«
»Sperrstunde, meine Herren! Das war ein langer und aufregender Tag heute.« Herr Heller klimperte unruhig und unüberhörbar mit seinen Schlüsseln.
»Setzen Sie sich doch noch einen Augenblick zu uns, Herr Chef, und trinken Sie ein Glas mit. Ich kann den Thomas jetzt nicht so einfach hier fortlassen«, sagte Leopold.
»Nein, du musst natürlich warten, bis du mich weichgeklopft hast und ich mich wieder von dir breitschlagen lasse«, protestierte Kober. »Aber diesmal nicht. Auch ich habe meine Arbeit und mein Privatleben.«
»Damit meinst du doch nur deine Weiber beziehungsweise deine Maria. Aber wenn sie was auf dich hält, läuft sie dir schon nicht davon. Wahres Wonneherz wartet willig, um es mit einem Stabreim zu sagen«, deklamierte Leopold.
»Stabreim«, gluckste Korber und schüttelte den Kopf. »Das mir, zu dieser Stunde.«
»Na ja, leicht werden Sie es in jedem Fall nicht haben, Herr Korber«, ächzte Heller, während er mit leisen Zeichen des Unmutes neben den beiden Platz nahm und sich ebenfalls ein Glas einschenkte. »Die im Klub ›Alt-Floridsdorf‹ sind eine eingeschworene Clique, wie Sie selbst schon bemerkt haben. Bis in die 70er-Jahre konnte man hier im Bezirk ja nur in unserem Kaffeehaus Billard spielen. Dann haben sich einige Herren – wie es heißt, nach einer durchzechten Nacht – entschlossen, einen Klub aufzumachen, ›in Erinnerung an alte Zeiten‹, was auch immer das für sie bedeutet hat. Sie haben im Extrazimmer von dem kleinen Lokal vorne in der ›Roten Burg‹ [14] zwei Tische aufstellen lassen und sich mit der Zeit mehr oder minder von der Kneipe emanzipiert, mit eigenem Eingang und so. Zwei Tische, dass ich nicht lache. Damit wollten sie uns ans Leder, haben geglaubt, sie werden eine Konkurrenz. Schauen Sie sich um, lieber Lehrer: Wir haben noch heute unsere drei Tische, und besser gepflegt sind sie auch.«
Heller schien richtig in Fahrt zu kommen, nun, da seine Frau zu Bette lag. Leopold und Korber blieb nichts anderes übrig, als ihm zuzuhören, wenn sie ihre Flasche in Ruhe leer trinken wollten. »Sie haben es schon bald
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