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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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Trotzdem: Es war ein normaler Unfall, glauben Sie mir.«
    »Was sagt dieser Silber?«
    »Er ist sich nicht sicher, es ging alles viel zu schnell. Er hat zwar auch einmal die Möglichkeit angedeutet, dass jemand Fellner vor sein Auto bugsiert haben könnte, aber er hat sehr zusammenhanglos geredet. Der Mann steht schwer unter Schock. Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.«
    Nun war aber auch schon wieder Leopold zur Stelle, den es nicht an seinem Platz im Kaffeehaus hielt: »Bei mir hat er nicht zusammenhanglos geredet, also liegt es vielleicht an der Art der Befragung und vor allem daran, was man hören will. Außerdem darf ich Sie bitten, sich die Leiche einmal genau anzusehen, jetzt, wo alles so schön beleuchtet ist. Heben Sie doch kurz den rechten Arm in die Höhe.«
    Bollek kämpfte mühsam gegen alle Arten von Aggressionen an, die in ihm hochstiegen. Der jetzt langsam nachlassende Regen, der ihm auf den Kopf tropfte, der Einsatz in der bis vor Kurzem völlig dunklen Nacht, der ihm auf die Nerven ging, die Kellnergestalt, die sich überall einmischte und den Besserwisser spielte – all das brachte ihn in Rage, färbte sein Gesicht dunkelrot und suchte nach einem Ventil, mit dem er seinem Ärger Luft verschaffen konnte. »Sie haben nichts, aber auch absolut nichts hier verloren«, platzte es aus ihm heraus. »Ihre ständigen Einmischungen behindern nur unsere Ermittlungen. Also marsch, zurück ins Kaffeehaus, sonst werden Sie mich kennenlernen, Herr Ober!«
    »Hofer, verehrter Inspektor, Leopold W. Hofer, in aller Bescheidenheit. Das ›W‹ ist eine Initiale, wie Sie sich vielleicht erinnern können. Richard, bitte sag deinen Beamten, sie sollen kurz Fellners rechten Arm in die Höhe heben, ich darf’s ja nicht.«
    Juricek machte eine kurze Bewegung mit dem Kopf, und es geschah.
    »Ich habe mich also vorhin doch nicht verschaut«, rief Leopold voll Begeisterung. »Siehst du, wie die Jacke unter der Armbeuge aufgerissen ist?«
    »Das ist doch normal, dass das Gewand nicht heil bleibt, wenn man unter ein Auto gerät«, brummte Bollek.

    »Aber an dieser Stelle ist eine Naht, und es sieht nicht so aus, als ob der Riss durch den Aufprall entstanden wäre. Nein, nein, so etwas passiert eher, wenn man von jemandem heftig an der Jacke gepackt wird – jemandem, der einen dann mit voller Wucht auf die Straße stößt.«
    »Du bist dir sicher, dass der Riss nicht schon vorher da war?«, erkundigte sich Juricek.
    »100 Prozent! Ich hab dem Fellner ja noch selbst aus der Jacke geholfen, als der heute bei uns zur Türe hereinkam. Da war alles intakt, sonst wäre es mir aufgefallen.«
    Bollek blickte ungläubig auf Juricek. Der war sich selbst noch nicht klar darüber, was er von der Sache halten sollte. »Alles schön und gut«, meinte er. »Aber am liebsten wäre mir, wenn wir jemanden auftreiben könnten, der etwas gesehen hat, einen Zeugen. Bollek, gehen Sie bitte einmal ins Café und hören sich bei den Leuten um. Vielleicht hat doch irgendwer ein brauchbares Detail bemerkt, das ihm vorerst nicht wichtig erschienen ist.«
    Bollek verschwand ins Trockene. Kaum war er weg, deutete Leopold auf ein Fenster im zweiten Stock des gegenüberliegenden Hauses, aus dem noch Licht kam und in dem man die Umrisse eines Kopfes erkennen konnte. »Da oben wohnt der Erwin Seidl«, sagte er zu Juricek. »Früher war er öfter im Kaffeehaus, aber jetzt ist er gesundheitlich schon so bedient, dass er seine Wohnung kaum noch verlassen kann. Hängt den ganzen Tag am Fenster rum. Wenn einer etwas gesehen hat, dann er.«
    »Na, dann nichts wie rauf«, sagte Juricek.

     
    *

     
    Erwin Seidl blickte angeregt durch die Glasscheibe seines Wohnzimmerfensters hinaus in die nun wieder erleuchtete Dunkelheit, hinaus auf die Blaulichter, die Menschen, die Leiche. Sein Pulsschlag hatte sich seit dem ganz plötzlich und unerwartet eingetretenen Vorfall sprunghaft erhöht. In den langen Jahren seines stumpfen Dahinvegetierens hinter dem Fenster hatte er nichts Vergleichbares beobachten können. Viele Menschen hatte er gesehen, ihre Gewohnheiten studiert, ihre Kleidung, die Uhrzeit, zu der sie an seinem Fenster vorübergingen, in welcher Begleitung, und noch vieles andere mehr. Das Fenster war ein immer wichtigerer Teil seines Lebens geworden, sein Fenster zur Außenwelt im wahrsten Sinne des Wortes. Er war kaum mehr in der Lage, die eigenen vier Wände zu verlassen. Sein allgemeiner Gesundheitszustand war immer bedenklicher geworden, ohne dass

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