Karambolage
interessiert einmal vorrangig, mit wem Fellner im Kino war. Der hat sich diesen Schmusefilm sicher nicht allein angeschaut, da wette ich was. Ist es verwegen, wenn ich behaupte: Da war ein Weib dabei?«
»Behaupte, was du willst«, brummte Korber. »Aber nehmen wir einmal an, dieses Ticket gehört Fellner, und er war mit einer Frau im Kino. Was sagt das aus? Hast du im Kaffeehaus unter seinen Bekannten, also im Kreis der Verdächtigen, auch nur eine Frau gesehen?«
»Muss es denn die Frau getan haben? Es gibt genug eifersüchtige Männer auf der Welt, merk dir das. Nein, nein, die Dinge müssen sich erst entwickeln, und wir sind schon einmal auf der richtigen Spur.«
Mit diesen Worten stieg Leopold etwas unsanft auf die Bremse, das Zeichen für seinen Freund, dass sie bei ihm zu Hause angekommen waren. Nachdem sie sich verabschiedet hatten, atmete Korber mit ein paar kurzen, gierigen Zügen die Jedlersdorfer Nachtluft ein. Dann ging er hinauf in seine kleine, bescheidene Wohnung.
Als er sich niederlegte, versuchte er, den Tag und dessen Ereignisse aus seinem Gedächtnis zu streichen. Er schlief kurz und traumlos.
*
Olga Fellner saß Juricek und seiner Kollegin, Frau Inspektor Dichtl, gefasst gegenüber. Ihr Gesichtsausdruck blieb unbewegt, ihre Augen starrten ins Leere. Und gerade diese blaugrünen Augen waren es, die Juricek stutzig machten. Sie waren von Anfang an gerötet gewesen, schon als Olga die Türe geöffnet und sie, vorbei an der Rezeption, ins Wohnzimmer geführt hatte – so als hätte sie eben gerade geweint. Von irgendwoher, von irgendwem musste sie bereits vom Tod ihres Mannes erfahren haben. Natürlich stritt sie es ab, spielte den beiden Beamten eine Komödie vor. Aber sie wusste von dem Unfall, das traute sich Juricek zu wetten. Oder war sie gar an den Geschehnissen beteiligt gewesen?
»Nach dem derzeitigen Stand der Dinge müssen wir davon ausgehen, dass Ihr Mann gewaltsam ums Leben kam«, sagte Juricek. »Hatte er Feinde?«
»Gott, wie können Sie jetzt so etwas fragen«, sagte Olga Fellner mit schwacher Stimme, aber deutlich vernehmbar. »Feinde. Das klingt ja so, als sollte ich, kaum dass ich von seinem Ableben erfahre, gleich mit einer Liste kommen, wer ihn alles getötet haben könnte. Finden Sie das nicht ein wenig pietätlos?«
»Es ist leider unsere Aufgabe, Fragen zu stellen, auch wenn wir wissen, dass sie Ihnen in der augenblicklichen Situation alles andere als angenehm sind«, versuchte Frau Inspektor Dichtl zu beruhigen. »Kurz gesagt, wir meinen, es war Mord, und vielleicht wissen Sie, wer es getan hat.«
Olga Fellner seufzte. »Da kann ich Ihnen leider nicht dienen. Ich habe keine Ahnung.«
»Was war Ihr Mann für ein Mensch?«, fragte jetzt wieder Juricek. »Können Sie uns vielleicht darüber etwas sagen?«
»Kein einfacher jedenfalls, das wird sich vielleicht schon bis zu Ihnen herumgesprochen haben. Ich würde sagen: ein Kind, ein großes Kind, das nie richtig erwachsen geworden ist. Ein Kind hat viele Begabungen und gute Ideen. Die hatte er auch und machte wenig daraus. Ein Kind braucht Anerkennung und Aufmerksamkeit. Die hat er immer lautstark gesucht. Ein Kind spielt gerne, und sein Leben lang hat Georg andere Menschen als Spielzeug betrachtet. Aber an Verantwortung hat’s ihm, wie jedem Kind, gefehlt. Genügt Ihnen das?«
Juricek nickte. »Und wie sind Sie mit diesem großen Kind ausgekommen?«
Sie seufzte. »Überraschend gut. Es war eine Liebesheirat, und wir hatten ein paar tolle Jahre zusammen. Natürlich gab es auch Probleme, wer hat die nicht in 15 Jahren Ehe. Zeitweise war er, wie gesagt, sehr schwierig, aber ich wusste mit ihm umzugehen. Wir waren bis zuletzt gute Partner.«
Sein Gefühl sagte Juricek, dass etwas an dieser Aussage nicht stimmte. Zu aufgesetzt klangen die Worte, zu mechanisch kamen sie daher. ›Ich hatte kein Motiv, Georg umzubringen, ich mochte meinen Mann‹, sollte wohl die Botschaft lauten. Allein, Juricek fehlte der Glaube. Von wirklicher Liebe oder Anteilnahme spürte er nichts.
Wie also war das gemeinsame Leben von Georg und Olga Fellner wirklich verlaufen? Juricek schaute sich kurz um. Die Wohnung war nicht allzu groß, man hatte offensichtlich Platz zugunsten der Fremdenzimmer gespart. Das Wohnzimmer, in dem sie sich jetzt befanden, war stilvoll-rustikal eingerichtet: eine Bauernecke mit Sitzbank, zwei Glasvitrinen, eine alte Pendeluhr an der Wand, der Fernseher in einem kleinen Schrank versteckt, ein Regal mit
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