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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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Wendung. Gerade in jenem Augenblick größter Verzweiflung ging das Licht wieder an.
    Korber hörte ein zuerst leises, dann immer lauter werdendes Kichern und Lachen. Es handelte sich um eine weibliche Stimme. Etwa die Putzfrau? Aber Putzfrauen gingen nicht mit einer dermaßen offen zur Schau gestellten Heiterkeit an ihre Arbeit, dessen war sich Korber sicher. Und vor allem schien noch jemand da zu sein. Korber vernahm jetzt auch eine männliche Stimme, leise und unterdrückt. Der Mann versuchte offenbar, die Frau zu beruhigen, aber ohne Erfolg. Sie lachte ungeniert weiter.
    Zwei Menschen, deren Besuch hier nicht ganz offiziell war, grübelte Korber. Egal – es war an der Zeit, dass ihn jemand aus seiner misslichen Lage befreite. Schon wollte er durch lautes Klopfen auf sich aufmerksam machen, als ihm einfiel, dass der Mann draußen ohne Weiteres Neuling sein konnte. Hatte man vielleicht etwas mit ihm vor? War das Gekichere draußen nur der Beginn eines teuflischen Planes? Korber presste sein Ohr an die Tür. Er musste in Erfahrung bringen, was los war. Der Angstschweiß bildete dabei einen dünnen Film auf seiner Stirn.
    Einige Augenblicke war es ganz ruhig. Dann hörte er wieder die weibliche Stimme, jetzt ernst und leiser: »Komm, greif sie an. Trau dich nur. Ja, so ist es gut!« Jetzt begann die Frau zu stöhnen, der Mann schwer zu atmen. »Weiter, komm, mach weiter, ja, ja, jaaaa!«, stöhnte die weibliche Stimme.
    Korber begriff schnell. Er war in eine jener Orgien geraten, von denen Herr Heller am Vortag erzählt hatte. War etwa Neuling selbst darin verwickelt? Er versuchte sich vorzustellen, wie Neuling mit heruntergelassener Hose ein Weib bediente, das entweder vor ihm auf dem Billardbrett lag oder ihm leicht gebückt ihr Hinterteil entgegenreckte. In seinen Gedanken sah er Neulings stechenden Blick schwinden, seine Pupillen nach oben verdreht, die Brille irgendwo herrenlos, er selbst mit der letzten ihm von der Natur noch gegebenen Kraft arbeitend. War dies erst der Anfang? Würden noch andere kommen? Und war er, Korber, dazu verdammt, das Treiben von seinem Gefängnis aus bis zum bitteren Ende mitzuverfolgen?
    Er wollte gar nicht daran denken. Er wollte jetzt auch nicht an Maria denken, aber sie fiel ihm einfach ein bei dem ganzen Gejapse und Gestöhne. Und in Gedanken an seine neue Liebe, die er jetzt am liebsten hier herinnen in der Toilette in Armen gehalten und geherzt hätte, überkamen ihn seltsame Gefühle. Er, der von den Frauen nur selten erhört wurde, bekam plötzlich Lust darauf, in seinem Versteck still und heimlich mitzumachen. »Fester, ja, komm!«, hörte er, und es klang wie ein Befehl.
    Draußen lautes Stöhnen, Orgasmus, Höhepunkt. Drinnen ein verwirrter Korber, der seine Sache schließlich auch zu einem guten Ende brachte. Dann überall Erschöpfung, Pause, Stille.
    Noch ehe Korber sich entschieden hatte, ob er sich nun mutig zu erkennen geben sollte oder nicht, kamen Schritte auf das WC zu. Männliche Schritte.
    Einem erneuten Drange folgend, aber auch, weil er nicht so recht wusste, was er tun sollte, und schließlich um demjenigen, der nun eintreten würde, nicht gleich ins Gesicht blicken zu müssen, eilte Korber aufs Pissoir. Ein Schlüssel drehte sich in der Tür. Dann eine überraschte, ungläubige Stimme: »Was machen denn Sie da, Herr Professor?«
    Es war eine jugendliche, noch nicht ausgereifte Stimme. Oskar Fürst stand jetzt, einigermaßen perplex, neben Korber.
    »Ich habe eine Billardstunde genommen«, antwortete Korber ausweichend.
    »Ach so. Na ja«, murmelte Oskar. Dann längeres betretenes Schweigen, bis die beiden fertig waren.
    Draußen, beim Waschbecken, erklärte Korber alles. »Auf einmal war Neuling weg. Er hat mich richtiggehend eingesperrt.«
    »Der tickt sowieso nicht ganz richtig«, meinte Oskar und fragte dann schüchtern: »Werden Sie mich jetzt verpfeifen?«
    Korber schüttelte den Kopf. »Hast du das von deinem Onkel gelernt?«, wollte er wissen.
    Oskar nickte. »Es ist doch nicht verboten, oder? Wenn ich nicht zu oft zu ihr komme, darf ich es bei Irma für 20 Euro machen, hier im Klub. Bloß, wenn mein Vater das erfährt, ist alles aus, und von der Schule nimmt er mich dann sicher auch.«
    »Und wo hast du den Schlüssel her? Auch von deinem Onkel?«, fragte Korber.
    »Was ist? Ist er schon wieder so klein geworden, dass du ihn nicht mehr findest? Mit wem redest du überhaupt?«, hörte man jetzt Irma von draußen.
    »Ich muss gehen«, sagte

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