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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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Floridsdorfs Männerwelt stramm gestanden. Da blieb kein Auge trocken. Jetzt macht sie sich schon an so junge Leute wie unseren Oskar heran. Oder hast etwa du …?«
    Korber schüttelte abermals schnell den Kopf.
    »Und was wollen wir jetzt eigentlich von unserem kleinen Ausreißer?«, fragte Leopold. »Was war denn überhaupt los?«
    Korber schilderte in kurzen Worten, wie er von Neuling eingesperrt worden und wie es dann zur Begegnung mit Irma und Oskar gekommen war.
    »Wenn wir uns darauf einigen, dass du uns noch ein wenig Gesellschaft leistest, könnte ich dich jetzt loslassen«, sagte Leopold zu Oskar. »Allerdings würden wir wirklich gerne wissen, was eine Dame wie Irma la Douce in einem Billardklub zu suchen hat, und ob vielleicht gar dein Onkel eine Rolle bei der ganzen Sache spielt.«
    »Ich hab’s schon dem Professor gesagt«, gab Oskar sich widerspenstig. Er hatte sich mittlerweile aus Leopolds nicht mehr allzu strengem Griff gelöst und stand etwas ratlos da.
    »Nichts von Bedeutung hast du gesagt«, erklärte ihm Leopold. »Nur von deinem eigenen Vergnügen hast du gesprochen, nicht davon, dass sich offenbar auch andere Leute mit diversen Damen amüsiert haben. Was war da los, und was hatte dein Onkel Georg damit zu tun?«
    Oskar zuckte mit den Achseln. »Er wollte eben ein bisschen Schwung in die Bude bringen. Und diesen alten Krachern hat es gefallen, glauben Sie mir, auch wenn sich der eine oder andere nachher beschwert hat.«
    »Hat es hier öfters Sex-Partys gegeben?«
    Oskar schüttelte den Kopf. »Sie tun so, als ob hier ständig rumgebumst worden wäre. Das war nicht der Fall, zumindest nicht, seit ich hier bin. Ab und zu kamen Irma oder ein anderes Mädchen, wenn einer Geburtstag hatte oder so. Der durfte dann mit ihr rummachen, und Onkel Georg zahlte das Ganze. Er selbst hat gar nicht viel mitgemacht.«
    »Und du schon, nicht wahr?«
    Oskar schwieg.
    »Du willst mir also einreden, dass das hier ein ganz normaler Ablauf war. Na gut, dann werde ich dir jetzt eine andere Frage stellen, und ich bitte dich, sie mir ehrlich zu beantworten: Hat deine Tante Olga von den Vorgängen hier gewusst?«
    »Nein, ganz bestimmt nicht«, kam es schnell. Zu schnell.
    Leopold verzog leicht das Gesicht. »Eine ehrliche Antwort, bitte. Ich weiß, dass du mir jetzt nicht die Wahrheit gesagt hast.«
    »Wenn Sie es ohnehin wissen, warum fragen Sie dann?«
    »Um dich zu testen, Oskar, und weil ich Genaueres erfahren will. Also – was war mit Tante Olga?«
    Man sah Oskar an, dass er darüber nicht reden wollte. Wäre es heller gewesen, man hätte gut die bleiche Farbe erkennen können, die sein Gesicht jetzt angenommen hatte. Er stockte.
    »Es war Onkel Georgs Geburtstag«, sagte er schließlich. »Wir haben etwas getrunken, und zwei Damen waren da. Jemand muss die Türe offen gelassen haben. Plötzlich stand sie vor uns. Sie regte sich wahnsinnig auf. Wahrscheinlich hatte sie irgendetwas Ähnliches vermutet oder von René – das ist Herr Lacroix – einen Tipp bekommen. Und Onkel Georg …«
    »Hat sie gezwungen mitzumachen?«, fragte Leopold.

    Oskar nickte nur. Tränen schossen aus seinen Augen. Er begann, unkontrolliert zu weinen.
    Leopold begriff die furchtbare Wahrheit. »Mit … dir?«

    Er blickte Oskar ganz fest in die Augen. In ihnen spiegelten sich die Furcht und Scham eines Kindes, das sich bereits erwachsen vorkam, aber noch ein gutes Stück davon entfernt war. Das Kind gab keine Antwort. Es rannte weg, diesmal endgültig.
    Bald hatte die Dunkelheit Oskar aufgesogen. Seine Schritte verhallten in der Nacht hinter der großen Kirche. Erst hörte man sie noch, dann auf einmal nicht mehr.
    »Sollen wir ihm nachfahren?«, fragte Korber. »Er wohnt gleich bei der Schule. Ich kenne seine Adresse.«
    Leopold machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wozu? Aus dem bringen wir heute ohnedies nichts mehr heraus. Seien wir froh, dass er überhaupt etwas gesagt hat. Du, der Herr Pädagoge, hättest ihn ja von Haus aus laufen lassen.«
    »Dafür hast du ihn ganz schön gequält. Hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
    »Immerhin geht es um einen Mord, und der Bursche ist alles andere als ein Unschuldslamm. Da braucht es eine gewisse Härte.«
    »Vielleicht. Jedenfalls finde ich diesen Fellner langsam zum Kotzen.«
    »Seine Sympathiewerte sind bei mir auch ziemlich im Keller. Er hat nicht nur dumme Scherze gemacht, sondern die Menschen offenbar dort zu treffen versucht, wo sie am verletzlichsten waren. Keine schöne Art.

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