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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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heute nur mehr eine kleine Runde. Einige von uns sind von selbst gegangen, einige hat man hinausgeekelt, einige sind gestorben. Dazugekommen sind nur wenige.« Er seufzte. »Von der alten Garde sind nur noch Viktor – Herr Papp – und ich dabei. Wir haben uns mit Fellner arrangiert, weil uns der Klub noch heute am Herzen liegt. Wir werden weiterhin als Gründerväter anerkannt.«
    Dass man bei Neuling nicht viel Spaß haben durfte, hatte Korber schon herausgefunden. Aber war es nur dieser Auffassungsunterschied, der zu einer Antipathie Neulings Fellner gegenüber geführt hatte? Inwieweit ging es um das kleine Gefühl der Macht, hier im Klub den Ton angeben zu dürfen? Und was war mit den Orgien, über die Korber am Vorabend von Herrn Heller erfahren hatte?
    »Fellner war eben ein sehr leichtlebiger Mensch«, versuchte er, ein weiteres Stichwort zu geben.
    »Das kann man wohl sagen«, stieg Neuling sofort ein. »Vor allem die Damen hatten es ihm angetan. Kennen Sie schon die Geschichte von seinem ›Einstand‹ bei uns? Ich kann sie Ihnen erzählen, sie hat leider schon die Runde gemacht. Wir gingen abends nach dem Billardspiel noch schnell einen trinken. Als alle guter Laune waren, schlug Fellner vor, eine Bar mit hübschen Mädchen zu besuchen. Sie können sich vorstellen, wie die Sache weiterging. Alle hatten ihr Vergnügen, und Fellner zahlte das Ganze. Schlimm war es, und ich gebe zu, auch ich habe mitgemacht. Viele von uns kannten es ja gar nicht mehr, das Gefühl einer wilden, erotischen Nacht.
    Damit hat er bekommen, was er wollte. Der Klub lag ihm zu Füßen. Als mein Freund Viktor Papp einmal ein ernstes Wort mit ihm redete, um eine gewisse hereinbrechende Sittenlosigkeit zu verhindern, berichtete Fellner dessen Frau über die Vorkommnisse an jenem unseligen Abend. Mehr brauche ich Ihnen nicht zu sagen, Viktors Ehe war in höchster Gefahr. Seither soll noch einiges Schlimmes passiert sein, aber Viktor und ich haben dazu geschwiegen.«
    Neuling unterbrach seine Rede, baute eine neue Stellung auf. Korber schmierte seinen Queue und versuchte, sich Namen und Details zu merken. Allein, der Schnaps, das Bier und die nun eintretende Stille taten das ihre. Er wurde müde. »Ohne Effet?«, fragte er träge und beinahe herausfordernd.
    Neuling reagierte nicht. »Sie werden verstehen, dass ich diesem Mann keine Träne nachweine«, sagte er. Er blickte geradeaus und schien von Korber gar keine Notiz zu nehmen. Seine Augen wurden wieder von dem grellen Neonlicht verdeckt. »Vor den anderen konnte ich das natürlich nicht so zeigen. Nun ja, jetzt ist er tot und muss seine Taten vor einem höheren Richter verantworten.«
    Während Korber noch überlegte, ob er nun stoßen sollte oder nicht und unsicher ansetzte, spürte er die Hand des abgewendet zu ihm stehenden Neuling auf seiner Schulter: »Lassen Sie es gut sein, Herr Korber, es ist spät geworden. Nun, einige Ihrer Stöße waren schon ganz passabel, aber wie gesagt: An der Konstanz und an der Sicherheit müssen Sie noch arbeiten. Wie wäre es mit einem Stündchen morgen?«
    »Morgen habe ich schon etwas vor«, beeilte sich Korber zu sagen.
    »Nun, dann würden wir uns ganz besonders freuen, wenn wir Sie am Sonntagnachmittag beim Heurigen begrüßen könnten. Sie würden dann meinen guten alten Freund Viktor Papp und noch einige andere Klubmitglieder kennenlernen sowie einige unserer Ehefrauen. Und wir könnten uns dann auch darüber unterhalten, wie wir Ihre Mitgliedschaft handhaben werden.«
    »Danke für die Einladung, ich muss nur …«
    »Beim Engelbrecht in Strebersdorf sitzen wir immer ab drei Uhr nachmittags«, sagte Neuling geistesabwesend. Er schien Korbers Einwand gar nicht gehört zu haben. »Ich hoffe, Sie kommen.« Dabei drehte er die Neonleuchte über dem Billardbrett ab. »Ich muss nur noch ein paar Dinge auf ihren Platz räumen, dann können wir schon gehen.«

     
    *

     
    Korber war über den plötzlichen Aufbruch überrascht. Er stellte seinen Queue in den dafür vorgesehenen Kasten, während Neuling geschäftig letzte Handgriffe im Halbdunkel des Raumes verrichtete. Dabei spürte er das Bier, welches sich zwischenzeitlich in seiner Blase angesammelt hatte. In der Absicht, Neuling nicht zu stören, begab er sich schnell auf die Toilette, die vom Klubraum aus durch eine kleine Passage zu erreichen war. Breitbeinig und erleichtert stellte er sich an die Rinne und ließ dem Wasser seinen Lauf.
    Er schaute auf seine Uhr. Nach elf war es mittlerweile

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