Karambolage
Allerdings eine, die beinahe jedem in seinem Umfeld das Motiv für einen Mord gibt. Er hat sich so lange gespielt, bis einmal jemand ausgerastet ist.«
»Seine Frau?«
»Ich weiß nicht. Einerseits profitiert sie von seinem Tod angeblich auch finanziell durch die Erbschaft ein wenig, aber andererseits – warum hat sie ihn nicht schon längst bei einer anderen Gelegenheit umgebracht? Warum sollte sie ausgerechnet gestern vor dem Lokal auf ihn gewartet haben, bei diesem Sauwetter? Das passt mir nicht zusammen. Sie tröstet sich mit diesem Lacroix.«
Leopold weihte Korber kurz darüber ein, was er am Nachmittag im Kaffeehaus gehört hatte.
»Darum war Lacroix wohl heute so nervös«, sagte Korber. »Er muss sich noch mit Olga getroffen haben. Telefoniert haben die beiden jedenfalls miteinander. Warum soll nicht er die Tat begangen haben? Er muss ja eine Stinkwut auf Fellner gehabt haben. Auch im Klub hat er nicht schön über ihn geredet. Lass uns überlegen: Lacroix hat das Lokal nicht allzu lange vor Fellner verlassen. Vielleicht hat er auf ihn gewartet, um ihn zur Rede zu stellen. Dann kam es zur Auseinandersetzung, und dann …«
Leopold hörte geduldig zu. »Kann sein. Was meinst du zu dem Buben?«
»Oskar? Du hältst doch nicht ihn für den Täter?«
»Ich möchte ihn jedenfalls nicht ausschließen. Fellner war zwar eine Art Vaterfigur für ihn, aber Gefühle schlagen schnell um, besonders bei so jungen Menschen. Denk nur einmal, was wir gerade mehr oder minder von ihm erfahren haben. Das war für ihn vielleicht noch schlimmer als für Olga selbst.«
Sie gingen langsam zu Leopolds Auto, das wieder einmal auch Korber nach Hause bringen würde.
»Vergiss nicht, dass es ein Beweisstück gibt«, sagte Leopold nachdenklich. »Ich habe heute Abend mit dem Kinocenter telefoniert. Fellner ist niemandem aufgefallen, aber ich habe die Beschreibung von einigen der Leute, die sich den Film um 20 Uhr ansahen. Oskar könnte einer von ihnen gewesen sein. Weißt du, Thomas, mir ist nämlich eines eingefallen. Vielleicht habe ich mich die ganze Zeit über geirrt. Vielleicht war es gar nicht Fellner, der die Karte verloren hat.«
»Wer denn?«, fragte Korber müde.
»Na ja, vielleicht war es sein Mörder.«
8
Der Samstag begann mit einem prächtigen Frühlingsmorgen, beinahe zu schade, um in die Schule zu gehen. Maria Hinterleitner stand, in ein Gespräch mit zwei Kollegen vertieft, bereits im Lehrerzimmer, als Korber eintrat. Fast ein wenig eifersüchtig registrierte er, dass ihre Schönheit und Natürlichkeit auch auf andere Männer ihre Wirkung tat. Es störte ihn, dass sie ihn nicht gleich anlächelte und ihm zuwinkte. Er setzte sich auf seinen Platz und begann, die Unterlagen für den heutigen Tag zu ordnen.
»Hallo«, hörte er schließlich ihre angenehme Stimme hinter sich. »Kannst du mir schnell zeigen, was wir alles in unserer Englischsammlung haben? Da kenne ich mich noch überhaupt nicht aus.«
»Gerne«, antwortete er noch ein wenig verschlafen. Wollte sie etwa allein mit ihm sein?
Beide gingen schweigend aus dem Lehrerzimmer, dann begann Maria zögernd: »Ich hatte gestern noch einige Erledigungen und habe mir den Tag freigenommen. Tut mir leid, dass ich vergessen habe, dir das zu sagen.«
»Macht nichts. Du hast sicher schon erfahren, was sich am Donnerstag noch alles abgespielt hat.«
Sie nickte und senkte kurz den Kopf. »Ja natürlich! Ist das nicht schrecklich? Mir ist es ganz kalt über den Buckel gelaufen, als ich gehört habe, dass Fellner vor dem Kaffeehaus von einem Auto niedergestoßen worden ist. Mein Quartiergeber!«
»Die Polizei ist sich ziemlich sicher, dass er vor das Auto gestoßen wurde.«
»Meinst du? Furchtbar! Was war denn dann überhaupt los im Kaffeehaus? War es aufregend? Oder bedrückend?«
Korber wusste nicht recht, was er antworten sollte. »Es ging grad so. Bist du gut nach Hause gekommen?«
»Ja, ich habe es noch vor dem Gewitter geschafft. Dann habe ich geschlafen wie ein Murmeltier. Und am Morgen habe ich Frau Fellner gar nicht gesehen. Meine Wohnung liegt ja im hinteren Teil des Hauses. Später konnte ich in der Zeitung lesen, was geschehen war.«
Korber zögerte kurz. Er wusste, dass von der nächsten Frage viel abhing. Dann sagte er: »Können wir das nicht heute Abend bei einem guten Gläschen besprechen?«
Maria nickte unerwartet rasch. »Das machen wir. Ich habe sowieso noch ein schlechtes Gewissen wegen Donnerstag. Und diesmal komme ich allein,
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