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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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gebraucht, Leopold. Um Frau Fellner kümmere schon ich mich«, sagte sie streng. Dann fragte sie ihre Tischgenossin, ohne sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen: »Herr Lacroix ist also Ihr ›Chéri‹?«
    »Er ist, wie ich schon sagte, ein sehr guter Freund. Verstehen Sie mich jetzt bitte nicht falsch, meine Liebe. Mein Mann und ich, wir haben eine sehr offene Ehe geführt, in der nicht immer alles geklappt hat, vor allem in den letzten Jahren. Ich habe es nicht leicht mit ihm gehabt. Chéri hat sich um mich gekümmert, wenn es notwendig war. Ich habe dadurch die Kapriolen meines Mannes besser ausgehalten, und unsere Partnerschaft hat bis zum Schluss gehalten.«
    Frau Heller blickte ein wenig ungläubig drein, so als würde es noch eine Weile brauchen, bis die ganze Wahrheit in sie hineingesickert sein würde.
    Olga Fellner wurde ungeduldig. »Machen Sie sich keine Gedanken, liebe Frau Heller. Herr Lacroix war ein Freund, auf den ich immer zählen konnte. Und jetzt möchte ich mit ihm telefonieren, aber privat. Könnten Sie mich einen Augenblick allein lassen?«
    Nur widerwillig ließ Frau Heller Olga Fellner an ihrem Tisch zurück, jetzt, wo die Sache versprach, interessant zu werden. Wie viel ›Chéri‹ war dieser Lacroix? Und warum putzte Olga sich so mit ihm heraus, wo ihr Mann Georg noch nicht einmal unter der Erde lag?
    Ihre Gedanken wurden jäh von Leopold unterbrochen. »Das war wieder notwendig, der Fellner das von dem Seidl zu erzählen«, pfauchte er. »Würde mich nicht wundern, wenn sie ihm jetzt mit Lacroix auf die Pelle rückt. Der arme Erwin.«
    Frau Heller zuckte mit den Achseln. »Dass Herr Seidl sozusagen Augenzeuge ist, ist ja kein Geheimnis, Leopold. Wer etwas zur Aufklärung in einem Mordfall beitragen kann, steht eben im Licht der Öffentlichkeit, so wie Sie und ich auch.«
    Leopold bedeutete ihr ruhig zu sein. Er versuchte, einige Fetzen von Olgas Telefonat aufzuschnappen, das sie wieder mit ausgesprochen leiser Stimme führte: »Hallo, Chéri … Ich bin gerade im ›Heller‹ … Ja … Ja … Stell dir vor, Sykora ist wieder frei … Ja … Eine Schande, nicht? … Aber es gibt jemanden, der alles gesehen hat … Er wohnt gleich gegenüber … Ja, Chéri … Bis gleich.«
    Doch noch während Olga Fellner mit ihrem Chéri sprach, ging ein Ruck durchs Lokal. Plötzlich stand Egon Sykora mitten im Kaffeehaus und bewegte sich mechanisch, ohne ein Wort zu sagen, auf die Theke zu.

     
    *

     
    Es wurde still, sehr still. Einige Augenblicke lang hörte man nur das Knarren der Schuhe auf dem Parkettboden. Sykora brachte einen kühlen Hauch frischer Luft von draußen herein. Er wirkte ruhig, aber entschlossen. Wäre dies ein Saloon im Wilden Westen gewesen, man hätte fürchten müssen, dass er erst links und dann rechts einen Revolver ziehen und wahllos in die Menge schießen würde. Aber noch geschah nichts. Sykora lehnte sich mit unbewegter Miene an die Theke und bestellte ein Bier und einen großen Weinbrand.
    Leopold schenkte ein – vorsichtig, äußerst vorsichtig. Explosive Stimmung. Freund Mundgeruch, nach dem mittlerweile bereits dritten Glas Bier wieder sehr leutselig, meinte aufmunternd zu seinem neuen Nachbarn: »Prost, mein Freund. Vertrauen Sie wieder auf die Gerechtigkeit der Welt und machen Sie kein so finsteres Gesicht. Das Leben ist schön.« Die Antwort war Schweigen.
    Herr Heller, der inzwischen hinter der Theke aufgetaucht war, um wieder einmal nach dem Rechten zu sehen, nahm seinen Mut zusammen und schnauzte Sykora an: »Was wollen Sie hier?«
    »Ich trinke mein Bier und meinen Schnaps«, entgegnete Sykora mit bemühter Beherrschung. »Das ist doch nicht verboten, auch wenn man kurzfristig einem Justizirrtum unterlegen ist.«
    »Die eine Sache ist die Frage, ob Sie in Ihrer Wut einen Menschen umgebracht haben. Das wage ich nicht zu beurteilen. Die andere ist der Wirbel, den Sie vorgestern in unserem Lokal veranstaltet haben. Solche unschönen Szenen dulde ich nicht in meinem Kaffeehaus. Ich darf Sie also bitten, auszutrinken und dann zu gehen.«
    »Soll ich mich etwa dafür entschuldigen? Darauf können Sie lange warten, Herr Heller. Sie wissen genau, dass ich um den Sieg in diesem Billardturnier betrogen worden bin. Und Sie wissen es deshalb so genau, weil Sie als Schiedsrichter maßgeblich daran beteiligt waren.«
    Herr Heller verkniff sich jeden weiteren Kommentar. Sykoras Blick zeigte, dass höchste Gefahr im Verzug war. Jedes weitere Wort konnte das Fass zum

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